top of page

Franz Schuh

Festspiele Magazin 2012
NUR DIE BLÖDEN HABEN GLÜCK

Ein kleiner Diskurs über das Unglück mit dem Philosophen Franz Schuh.

Sie stellen Ihr „Philosophisches Fest“ heuer (2012) unter das Motto „Ziemlich trist. Aspekte des Unglücks“. Ist das nicht etwas trist, in Zeiten von Krise und Zusammenbruch des ökonomischen Systems?

Franz Schuh: Es gibt Themen die eine thementötende aktuelle Seite haben. Und es gibt Themen, die die Menschen stets beschäftigt haben. Das Unglück und die Arten und Weisen es auszuhalten, sind jenseits aller Aktualität Menschheitsgut. Das hängt auch damit zusammen, dass die Leute aus vernünftigen Gründen gerne übers Unglück reden, weil man sich einbildet es durch reden bannen zu können. Das ist wie Pfeifen im dunklen Wald.

 

Ist philosophisch betrachtet Unglück die Abwesenheit von Glück und viceversa?

Das wäre eine defensive Philosophie, die sich der vitalisierenden Kraft, die das Glück für den Menschen hat, verweigert. Da genügt es völlig den Schmerz zu vermeiden und das ist schon Glück genug. Laut Philosoph Norbert Bolz sollte die Dialektik Glück und Unglück aber nicht in Anwendung kommen. Glück ist ein eigenständiger Bereich, und nicht dadurch definierbar, dass es kein Unglück ist. Umgekehrt ist das Unglück nicht so zu betrachten, dass es „kein Glück“ ist. Wie immer auch sich die Wörter ähneln, sie sind für sich selbst verschieden zu betrachten, wenn man möglichst viel von ihnen verstehen möchte.

 

Wie sollen wir das Unglück verstehen?

Erstens: nicht als das ausbleibende Glück. Und zweitens als eine eigenständige Verwicklung, in die der Mensch hineingerät und die er in verschiedenen Graden bis hin zur vollkommenen Vernichtung als nicht angenehm empfindet. Bei den Unglücks-Erfahrungen muss man Unterscheidungen machen. Ich bin zum Beispiel jetzt gerade im Railjet gefahren und saß in der Premium-Klasse, weil ich immer dort sitze. Es ist mir bisher jedes Mal gelungen, mir in dieser genialen Zugs-Architektur, den Kopf ordentlich anzuhauen. Wenn einem das passiert, ist das teilweise ein Unglück. Tut auch eine zeitlang weh, aber die Folgen vergehen und es ist keine entscheidende Zäsur in einem Lebenslauf – gesetzt den Fall, die Birne ist hart genug. Es gibt aber Unglücke, Katastrophen, wo danach das Leben ein ganz anderes ist, als es vorher war. So wie jetzt das Bus-Unglück mit den Kindern in der Schweiz. Danach ist das Leben für die Hinterbliebenen, nicht mehr dasselbe, wie es vorher war. Das Unglück prägt.

 

Es gibt aber auch ein „unglücklich sein“, das nicht immer mit einem Ereignis zusammen hängt und eine individuelle Interpretation sein kann.

Ich würde das nicht für eine individuelle Interpretation halten. Es gibt zwar problem-narzisstische Kulturen, wo nur der zählt, der auch ordentlich unglücklich ist. Da gab es einmal so eine Mode, die hing mit einer Philosophie namens Existentialismus zusammen. Die Leute waren schwarz gekleidet, weil die schlechte Laune mit Tiefsinn kombinierbar war. Das ist eine Inszenierung nach außen. Aber es gibt nun einmal depressive, traurige Menschen, deren Unglück nur für sie selber besteht.

 

Was aber jemanden unglücklich macht, ist doch individuell unterschiedlich. Den einen kann eine unerwiderte Liebe unglücklich machen, den anderen tangiert das nicht...

Diesbezüglich ist das Unglück in der Tat ein Genosse des Glücks. Das Wesen des Glücks ist es, dass es für jeden anders ist. Man kann sich eher drauf einigen, was für alle ein Unglück ist, als darauf, was für alle ein Glück ist. Wenn sich ein Individuum entschieden hat, seine Existenz für unglücklich zu halten, kann man das nicht aufheben, durch den Hinweis: „Hearst, bist du deppert. Waun i so a Unglück hättert wie du, wär i total glücklich!“ Das ist so banal, dass es täglich ein paar hundert Male passiert und zwar ausgerechnet den Traurigsten von uns. Dass man ihnen vorschlägt, sie mögen doch bitte ihr Unglück für ein Glück halten.

 

Trotzdem interpretiert doch jeder für sich seinen Grad des unglücklich sein...

Es gibt eine ganz untere Schicht der Glücks-Unglücksfragen, die keine individuelle Interpretation mehr ist. Wer Hunger oder Durst hat, ist nicht glücklich. Wem kalt ist, der ist nicht glücklich. Und dann gibt es, metaphorisch gesprochen, eine obere Ebene. Zum Beispiel Kriege machen keinen glücklich. Selbst wenn man sie gewinnt, sind die Opfer furchtbar groß.

 

Gibt es nicht auch die These, dass Glück Tugend und Tüchtigkeit ist?

Es gab eine antike Vorstellung, die eigentlich das Evangelium verkündete: Wenn der Mensch tugendhaft ist, also gut, dann stimmt er so sehr mit den kosmischen Gegebenheiten überein, dass er wahrhaftig glücklich sein kann. Das ist eine Erfahrung, die man heute nicht macht. Wir machen eher die Erfahrung, dass so manches, was tugendhaft ist, uns ins Unglück treibt. Und dass viele Tugenden dadurch, dass sie sich nicht realisieren lassen, in neurotische Perversionen umschlagen. So wie das Kolhaas- also das Gerechtigkeits-Syndrom. Gerechtigkeit ist eine notwendige Tugend unter Menschen, wenn man sie aber nicht kriegt, kann man sich so verbohren, dass man nichts anderes stiftet, als Unglück. Da sieht man, dass dieses Konzept Tugendhaft und gesellschaftliches Glück sehr fragwürdig ist.

 

Für Kant war doch aber das Glück eine Pflicht auf dem Weg zum idealen Menschen.

Nach dem Kantschen Weltbild musst du – ich sag das jetzt ein bisschen primitiviert – damit du wirklich als Mensch bei dir bist, die Natur in dir sublimieren (Anm.: in der Psychoanalyse, ein Abwehrmechanismus des Ichs, bei dem man einen Triebwunsch in eine geistige oder kulturelle Leistung umwandelt). So ein Pflichtmensch hat natürlich eine Größe. Der französische Philosoph Alain wiederum hat einen Text über „Die Pflicht glücklich zu sein“ geschrieben, der jenseits dieser Kantschen Rigorosität ist. Seine Gesellschaftslehre besagt: Man kann nicht anderen mit seiner schlechten Laune, seinem Unglück, auf die Nerven gehen.

 

Aber was ist für Kant ein Unglück?

Eine entscheidende Frage, weil sie den wesentlichsten Teil davon, wo Glück und Unglück nicht interpretierbar sind, behandelt. Nämlich die politische und die von der Natur über den Menschen kommende Katastrophe. Im Jahr 1755 fand in Lissabon ein Erdbeben statt. Goethe hat es so beschrieben: „60.000 Menschen, ein Augenblick zuvor noch ruhig und behaglich, gehen miteinander zugrunde und der glücklichste darunter ist der zu nennen, dem keine Empfindung, keine Besinnung über das Unglück mehr gestattet ist.“ Auch bei Kleist und Voltaire spielte es eine riesige Rolle. Dieses Erdbeben hat eine der wesentlichen Vorstellungen der Voraufklärungszeit zerstört, die Theodizee, die in etwa besagt: wir leben als Mensch in der besten aller Welten. Und dann geschieht so ein Erdbeben! Die Menschen haben ja gar nichts gemacht, die können gar nichts dafür. Also bitte wie darf das passieren? Bei Voltaire heißt es dann: Wenn das die beste aller Welten ist, dann schau ich mir die anderen gerne einmal an. Dieses Erdbeben hat das Weltbild, insbesondere der Kirche, aber auch der Philosophie, erschüttert. Das war einerseits ein Unglück an sich, andererseits haben viele den Umstand, dass man nicht mehr an die Theodizee glauben kann, als ein Unglück empfunden. Solche Katastrophen hat es im Laufe der Menschheitsgeschichte immer gegeben. Die schlimmste in unserer Kultur war der Holocaust, eine von Menschen verursachte Katastrophe. Auch der Tsunami 2005 war keine Kleinigkeit.

 

Was zählen Sie noch zu den größten Unglücken der Menschheitsgeschichte?

Fukushima und Tschernobyl. Und zwar deshalb, weil es immer eine Regel gab, dass man zwar Dinge und Menschen zerstören kann, die Natur hingegen nicht. Mit der Atomkraft ist es jetzt tatsächlich möglich, dass man auch die Natur zerstört.

 

Dann war aber bereits die Erfindung, auf der Atomkraftwerke basieren, das eigentliche Unglück.

Ja… das war immer schon die Frage. Dürrenmatt hat sehr gerne darüber diskutiert, wie weit die Wissenschaft – ich sage das jetzt bewusst provozierend – unser Unglück ist. Weil Wissenschaft naturgemäß etwas sein muss, das unsere jeweiligen Horizonte transzendiert. Sie ist mit Sicherheit nichts, was unserer Spießer-Bequemlichkeit an allen Ecken und Enden nachkommt. Sie hat eine Seite, wo sie rücksichtslos und inhuman einfach ihren eigenen Regeln folgt. Diese Regeln können Dinge erzeugen, die dann letzten Endes auch die Wissenschaft nicht mehr beseitigen kann.

 

Das heißt die Wissenschaft kann uns ins Unglück stürzen?

Ja, aber nur die Wissenschaft als extremistische Macht gesehen in unserer Gesellschaft. Das macht es auch so schwer sie zu kontrollieren. Weil sonst ist sie eher für unser Glück zuständig.

 

Was macht den Menschen generell unglücklich? Unterdrückung und der Entzug von Freiheit?

Wenn es so wäre, wäre für die Menschheit viel getan. Das Problem ist aber, es gibt Leute, die glücklich sind, wenn sie anderen die Freiheit nehmen können. Und noch viel schlimmer, es gibt Leute, die ganz gerne um ihre Freiheit gebracht werden. Dagegen gibt es immer Menschen, die nur dann glücklich sind, wenn sie im politischen Sinne frei sind, keine Unterdrücker haben. Aber es gibt noch eine andere Freiheit, an die jüngst Peter Sloterdijk in einer Rede erinnert hat. Die Freiheit von der Jean-Jacques Rousseau spricht. Er beschreibt im 5. Spaziergang seiner Träumereien, wie er im Boot, in der Natur, auf dem Bieler See völlig beziehungslos zu allem nur bei sich ist. Gänzlich von allen Leistungen, von allem Funktionieren entfernt. Nebenbei bemerkt, war Rousseau ja nicht gerade der Freiheitsphilosoph. Er wollte die Freiheit in einem volonté général verschlucken lassen. Einem  Gesellschaftsvertrag mit der Vorstellung, dass die Freiheiten des Einzelnen anarchisch, chaotisch sind, darum muss ein Monarch her, der den Gesamtwillen darstellt. Dann sind alle glücklich damit.

 

Also Diktatur?

Das ist der Beginn der Diktatur. Aber Rosseau war auch der andere. Dieser hingestreckte Mensch am See, ganz für sich sein, losgelöst. Diese Art der kontemplativen Freiheit mit sich selbst haben wir über all die Zeit über alles zu schätzen gelernt. Dieses Glück, sich außerhalb dieser Verwurstungsfabrik Gesellschaft befinden zu können. Und da sagt Sloterdijk mit Recht, man darf diese Freiheit nicht den Liberalen überlassen. Das ist eine Sache für alle. Und ich schwöre dir, wenn man uns diese Freiheit wegnimmt, ist das mindestens so hart, als wenn man uns politisch unterdrückt.

 

Hat das unglücklich sein in unserer spassorientierten Zeit überhaupt noch Platz?

Diese Gesellschaften, in denen wir leben, haben etwas von einer starren Panik. Da ist einerseits die Beschäftigung mit Glück und Unglück, die früher zur Sorge um sich selbst, zum Ethos, gehört hat, heute nach meinem Gefühl nur noch Propagandismus. Andererseits gibt es die Dauerangst, man könnte nicht in der besten aller Welten leben. Durch die Kommerzialisierung aller Verhältnisse – also jeder braucht vom andern etwas – kann diese persönliche Seite des Glücklich- oder Unglückseins nur in privater Sphäre ausgelebt werden. Wo man, wenn man ein Glück hat, Menschen hat, und wenn man keines hat, keine Menschen hat. Durch die Kommerzialisierung ist gerade das Anpreisen des falschen Glücks eine der größten Selbstverständlichkeiten geworden. Solche Steinereien wie von Swarovski würden in einer glücklichen Gesellschaft keinem Menschen gefallen. Da braucht man dieses Glitzerzeugs nicht.

 

Die glückliche Gesellschaft ist doch eine Utopie.

Die unglückliche offenkundig nicht.

 

Wieso?

Diese ganzen Glücksanforderungen, dass man als Mensch nur perfekt ist, wenn man einigermaßen glücklich daher kommt, sind paradoxe Interventionen. Unter so einem Vorzeichen sind viele Leute schnell unglücklich. Und sie lernen super, es zu verbergen. Man spürt aber schnell, dass sie nicht sonderlich glücklich sind.

 

Ist es unsere Aufgabe auf der Welt glücklich zu sein?

Man könnte behaupten: Nein. Wir haben vielleicht auf der Welt ganz andere Dinge zu tun.

 

Zum Beispiel?

Ich würde sagen, auch wenn man mir widerspricht, dass wir die materiellen und die intellektuellen Ressourcen so zusammenhalten, damit wir als Gattung überleben. Unsere Aufgabe besteht nicht darin, dass wir, wie der wunderbare Rousseau, eine glücklich machende Selbsterfahrung haben. Sondern darin, dass das Boot, in dem so ein Rousseau hin und her wackelt, nicht untergeht. Und wenn er schon untergeht, dass der See dann nicht so verdreckt ist, dass er im Wasser erstickt. Aber woher soll ich wissen, wozu wir da sind? Ich behaupte nur, es könnte ja sein, dass das Glück nicht die Aufgabe ist, die wir haben…

 

Haben wir es überhaupt in der Hand zu bestimmen was ein Glück und ein Unglück für die Menschheit ist?

Mag sein, dass wir es nicht in der Hand haben. Aber es ist undenkbar, dass wir nicht zumindest das Gefühl haben, es teilweise in der Hand zu haben. Wir können gar nicht anders existieren, als in der Vorstellung, dass wir unseres Glückes Schmied sind.

 

Glauben Sie, man teilt am Ende des Tages sein Leben rückblickend in Unglück und Glück?

Das hoffe ich nicht! Ich stelle mir vor, dass man im Rückblick erkennt, man war, sagen wir einmal in der Kreisky-Ära, in der Lobau baden und da ging ein herrliches Lüftlein. Oder man war als 16-Jähriger in London und hat zum ersten Mal eine große Stadt gesehen. Man war erstmals am Meer oder man hat eine Rechnung in Mathematik gelöst und dabei plötzlich dieses Gefühl des durch Widerstände durchflutschens gespürt. Also alles was dann eine glückliche Fügung ist, hat sein Glück darin, dass es nicht ein fetischisiertes Glück ist, nach dem ich mein Leben abklopfe. Sondern: das waren Erlebnisse!

 

Jetzt reden wir aber wieder übers Glück. Das Unglück hat hier keinen Platz?

Natürlich. Man muss zwei Arten von Unglück unterscheiden: Das eine sind diese vielen Unglücke wie, sich den Kopf im Railjet anschlagen, die alle aus dem Bewusstsein als einzelne verschwinden. Die aber wie Stacheln in der Seele sitzen, die dem ganzen Leben eine Form geben. Das andere sind Unglücke, die man erlebt hat, deren Bearbeitung so schwer war, dass es das ganze Leben bewusst ergriffen hat, wie der Tod von Verwandten oder geliebten Menschen. Mit Einschränkungen kann man sagen, dieses Unglück hat einen Sinn. Nicht, dass dieser Sinn das Unglück rechtfertigen würde. Es ist mehr die Auseinandersetzung des Menschen plötzlich damit, dass sein Leben endlich ist. Wenn er in der Lage war, damit zurecht zu kommen, macht ihn das mehr zu dem, was ein Mensch sein kann, als wie Leute, die nichts als glücklich waren.

 

Es gibt ein Gedicht übers Unglück von Fried...

Oweh...

 

Mögen Sie Fried nicht?

Nein. Ich bin ein Avantgardist. Aber bitte...

 

Er meint jedenfalls, man muss das Unglück von allen Seiten betrachten und wenn man Glück hat, merkt man, dass es ein Unglück ist.

Ja, das ist diese merkwürdige Einstellung von komplexen Gesellschaften, dass man Dinge für ein Glück nehmen kann, die absolut keines sind. Genauso ist es wichtig zu wissen, was denn eigentlich das Unglück ausmacht. Wir müssen ja zugeben, dass wir es nicht so genau wissen. Wir haben bestimmte Vorstellungen. Aber die Leute, die Unglück verursachen, sind natürlich sehr gut in der Lage, es als Glück auszustellen. Das zeichnet die populistischen Parteien aus. Die verursachen unglaubliches Unglück. Also was Viktor Orbán Ungarn antut, unter dem Vorwand, er ist der eigentliche Patriot und der wirkliche Freiheitskämpfer, ist ungeheuer. Und seine Anhänger halten das für Glück. Der Witz ist, was die Populisten wirklich können: Sie können das Unglück nicht verhindern. Nie, weil sie es nämlich verursachen. Aber was sie viel besser als alle anderen können: das von ihnen verursachte Unglück, als etwas ihnen Angetanes darzustellen. Ich habe das als verfolgende Unschuld, ein Terminus von Karl Kraus, beschrieben. Die können das Unglück, das sie selber verursachen, anderen wunderbar in die Schuhe schieben, mit dem Hinweis: Hätten wir tun können, was wir wollten, wären alle total glücklich, aber die lassen uns ja nicht.

 

Schuld sind immer die anderen…

Das sagen viele und viele bilden sich das ein, aber es gibt dann den Punkt, wo man der Wahrheit, dass es anders, ist ins Auge schaut. Diesen Punkt können die Populisten durch Propaganda und durch Mobilisierung ihrer Fangemeinde, unglaublich lange hinaus zögern. Aber dann sieht man‘s umso deutlicher. Daher ist die Frage des richtigen Erkennens des Unglücks auch immer die Frage des richtigen Erkennens, was läuft. Um Brechtisch zu sein: die Wahrheit.

 

Ist dann ein denkender Mensch ein glücklicher Mensch?

Eher nein, denkende Menschen haben mehr einen Hang zur Melancholie haben. Die schließt zwar gewisse Formen der Heiterkeit nicht aus. Doch das traurig sein ist schon einer der wesentlichen Anlässe, warum man überhaupt denkt. Ich habe das einmal andersrum beschrieben: dass nur die Blöden, Glück haben. Und zwar umgekehrt, als es gemeint ist. Nicht weil man blöd ist, hat man Glück. Sondern: weil man Glück hat, wird man blöd. Wenn jemand nicht die Trauer an sich selber erkennt, wird er auch die der anderen bagatellisieren. Und wer die Trauer und das Unglück der anderen als bedeutungslos abtun kann in seinem seelischen Haushalt, der hat schon was Blödes.

bottom of page