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Bruder Konrad

Servus Magazin -  November 2018
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KLISCHEE UND WIRKLICHKEIT
Von Bruder Konrad der mein Bild von einem Eremiten vollkommen auf den Kopf stellte.

© Foto: Philipp Horak

Es gibt Dinge, die man in seinem Leben nie selbst erfahren wird. Als Astronaut durchs Weltall schweben, zum Beispiel. Oder den Mount Everest erklimmen, weil ich ja vermutlich schon am Großglockner scheitern würde. Trotzdem habe ich ein Bild von Schwerelosigkeit im Kopf, und natürlich von schneeverwehten Bergsteigern in 8.000 Metern Höhe.

Auch Eremit gehört in diese Kategorie, in der sich schwer nachprüfen läßt, ob das Klischee der Realität entspricht. Eigenbrötlerischer Einzelgänger, asketisch, schweigsam und menschenscheu – ungefähr so waren meine Assoziationen, bis ich Bruder Konrad begegnete.

 

Allein der Treffpunkt irritierte mich. Gasthaus Neuhaus, hieß es, dann gemeinsamer Aufstieg zu Tirols letzter Einsiedelei auf dem Thierberg. Ein Eremit im Gasthaus? Womöglich mit verfilztem weißen Bart, barfuß und in zerlumpte Fetzen gehüllt?

 

Servus, sagte Bruder Konrad und streckte mir fröhlich die Hand entgegen. Glattrasiert, das Haar proper gekämmt setzte er sich in seiner braunen Kutte an den Tisch und bestellte Kaffee und Kuchen. Dreimal die Woche geht er mit dem Rucksack runter nach Kufstein um Lebensmittel einzukaufen, erzählte er mit seiner warmen, freundlichen Stimme, als wir uns die Serpentine zur Burg hinaufschraubten. Dort oben in der Kapelle hält er jeden Mittwoch eine Messe ab, und wer will kann bei ihm sein Herz ausschütten. Allerdings nur gegen Terminvereinbarung, denn der Ansturm ist groß, sagte Bruder Konrad und zog sein Handy aus dem Kuttensack, weil schon wieder eine SMS hereinbimmelte.

 

Eremit heißt ja nur, dass man alleine lebt und durch Gebete mit Gott verbunden ist, sagte er, von Schweigsamkeit sei da keine Rede. Auf 10 Quadratmetern lebt er auf der Burg, spartanisch eingerichtet, mit schmalem Bett, Herdplatte, kleinem Tisch und einem Sessel. Und vor allem mit einem grandiosen Blick auf Kufstein, den Wilden Kaiser und das Inntal.

 

Der Herr und ich haben uns das ausgemacht, sagte Bruder Konrad selig lächelnd, ganz mit sich und der irdischen Welt im Reinen. Industriebuchbinder war der Regensburger früher einmal und Nachtwächter, bevor ihn die Suche nach Erfüllung zu den Benediktinern führte. Auf einer Pilgereise nach Assisi erblickte er aus dem Zugfenster die Eremitage am Thierberg. Es war wie eine Offenbarung, sagte Bruder Konrad und dass er unten in Italien seinen Herzenswunsch sofort dem Heiligen Franziskus mitgeteilt habe. Ein paar Jahre musste er sich noch in Geduld üben, bis ihn eines Tages sein Abt fragte: Wie weit würdest du gehen? Bis Kufstein, antwortete er schlagfertig und siehe da, genau hier suchte man einen Mönch für die verwaiste Eremitage.

 

Seither beginnt er seinen Tag hier um 4 Uhr früh mit Gebeten, die sich nach festgelegtem Ritual und Zeitrhythmus bis zum Schlafengehen um 21 Uhr fortsetzen. In anderen Religionen nennt man das Meditieren, sagte ich. Bei uns auch, sagte Bruder Konrad und strahlte dabei die tiefe Ruhe derjenigen aus, die ihren Platz im Leben gefunden haben und die nichts erschüttern kann. Aber jetzt muss ich ihn bitte entschuldigen, es ist wieder an der Zeit. Seinen Gott läßt schließlich kein Gläubiger dieser Welt gerne warten.

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