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Glücksmomente

Servus Magazin -  Februar 2018
SONNENAUFGANG

Sonnenuntergänge sind schön, aber recht einfach zu haben. Die wahren Pretiosen im Lebensregal der schönen Erinnerungen aber sind die magischen Augenblicke, wenn du im Dunkel aufbrichst, um die Welt erwachen zu sehen.

Mit den Glücksmomenten ist es ja so: kaum hat man sie realisiert, sind sie schon wieder weg. Flüchtige Gesellen, von denen nur das warme Kribbeln kurz nachhallt, das einem  von den Haarwurzeln bis zu den Zehenspitzeln durchrieselt hat. Übrig bleibt allein die Erinnerung.

ch zum Beispiel habe mir tief unten in meiner Seele eine kleine Vorratskammer angelegt. Dort stehen sie die schönen Augenblicke des Lebens, eingefangen in verschraubbaren Gläsern als Geruch, als Gefühl, als Bild oder als einmaliges Erlebnis. Manche sind verstaubt, manche ganz abgegriffen, manche strahlen richtig hell, manche sind ein bissl inflationär. Sonnenuntergänge etwa, da vergammelt eine ganze Batterie davon weit hinten im Regal. Nur die paar, bei denen auch die Liebe ihre Finger im Spiel hatte bekommen hin und wieder mehr Aufmerksamkeit.

 

Etwas ganz Besonders hingegen sind Sonnenaufgänge, von denen gibt es nicht viele. Wer schält sich schon gerne um vier Uhr morgens aus der wohligen Sicherheit einer warmen Bettdecke um in die eiskalte Grödner Sommernacht mitten in der Bergwelt der Dolomiten zu stapfen. Der Atem zeichnet weiße Wölkchen ins Dunkel unter der schwarzblauen Kuppel des Himmels. Ein paar Sterne blinken noch einsam herum und irgendwo ganz hinten am Firmament verabschiedet sich leise die blassgelbe Sichel des Mondes.

 

Still ist es, so als würde die Natur den Atem anhalten, bevor die ersten Sonnenstrahlen den Schleier der Nacht lüpfen. Schwarz und zackig durchtrennen die Bergspitzen rundum im 360-Grad-Panoramablick das Himmelsgewölbe von der Erde, wie ein verwortakelter Scherenschnitt, perfekt allein durch seine Unperfektheit.

 

Und dann das erste Geräusch. Ein zartes Rascheln wenn der Fuchs über die Almwiese huscht, der sanfte Hauch des Flügelschlages eines Adlers, der in die Unendlichkeit entschwebt und das leise Kollern eines Steinchens. Vermutlich Gämsen, die sind neugierig und lassen sich das kommende Spektakel nie und nimmer entgehen. Gleich geht der Vorhang auf, zack, langsam färben sich zunächst die steilen Wände des Langkofels dunkelrot, wie beim Domino folgen die Geisler- und die Puez-Spitzen und all die anderen Schönheit bis hinüber zur Marmolata. Betulich tunkt die noch unsichtbare Sonne sie gleich von hellem Rot über sämtliche Orangetöne bis ins grelle Gelb bevor sie selbst erhaben am Horizont auftaucht. Jetzt werfen sich die Berge flugs in elegantem Grau in Schale. Die Königin ist da, der Tag kann beginnen und du kannst den Mund wieder zuklappen.

 

Beglückt schließe ich meinen Grödner Sonnenaufgang wieder ins Glas und schiebe ihn ins Glücks-Regal. In Augenhöhe, weil er zu meinen liebsten gehört. Es wird ein guter Tag, selbst der graue Februar-Nebel hat jetzt seine bleierne Eintönigkeit verloren.

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