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Knöpferlpartie

Servus Magazin August 2012
KNOPF HOCH!

Ein Besuch bei vier Männern und einer Frau, für die Knopf nicht gleich Knopf ist. Sie gehen mit viel Liebe zum Detail an die kleinste Verschluss-Sache der Welt und produzieren charmante Unikate.

© Foto Petra Rainer

I Zwirnknöpfe aus Weitra, NÖ

„Er hat’s g‘schafft, ma kann ihn lass’n.“ Zufrieden nimmt Maria Fiedler ein mit weißem Baumwollfaden umwickeltes Aluminiumringerl in die Hand und prüft, ob es eh gleichmäßig aussieht. Während der Wickelei, die nicht einmal so lange dauert, wie man das Wort Zwirnknopf schnell aussprechen kann, war nämlich einmal der Faden gerissen. Vorführeffekt, hat Frau Fiedler das kommentiert und neu eingefädelt. Nur wegen uns, denn normalerweise könne man ihn gleich vergessen, sagt sie. Aber, ebenfalls Vorführeffekt, trotz dieses zweimaligen Anlaufs hält der kleine Knopf dem strengen Prüfblick der letzten Zwirnknopfmacherin Österreichs stand.

Wir befinden uns hier bitteschön in der Abteilung maschinell hergestellte Zwirnknöpfe. Sprich in einem 20 Quadratmeter großen Raum in dem acht uralte Singer-Maschinen aneinandergereiht stehen. Sehen aus wie die Nähmaschinen unserer Ur-Omas nur ohne Nadel, dafür mit einer Klemme in der das Metall-Ringerl eingespannt wird. Und angetrieben nicht mit Fußtreten sondern in dem man die Schenkeln unter der Holzplatte links und rechts gegen zwei Hebeln presst. Es sind die letzten Maschinen ihrer Art und Ersatzteile müssen mittlerweile eigens hergestellt werden.

Drei Damen arbeiten hier mit Maria Fiedler, jede davon schafft 6.000 Stück pro Tag. In den besten Jahren, so die Weitranerin, zwischen 1985 und 1990, habe sie 18 Damen beschäftigt, die 200.000 Stück der federleichten Knöpfe in allen Farben und in 25 unterschiedlichen Größen pro Tag gefertigt haben. Hauptabnehmer waren damals Bettwäscheerzeuger, die aber mittlerweile auf günstigere Zippverschlüsse umgestiegen sind. Heute wird nur mehr für hochwertiges Bettzeug bei Frau Fiedler bestellt. Und von Trachtenfirmen, die auf die Schönheit handgefertigter Produkte setzen. Erstere bevorzugen den „13er“ mit einem Durchmesser von 15 Millimeter, bei Zweiteren ist der „9er“ mit 12 Millimetern der Bestseller.

Damit die textilen Kleinode auch zigtausende Waschgänge gut überstehen, braucht es zweierlei. Die von Herrn Fiedler gestanzten Metallringerln müssen mit heißem Wasser und Soda gewaschen werden, damit sie später nicht rosten. Und jedes umwickelte Knopferl wird noch mit einer fußbetriebenen Steppmaschine gerandelt, damit es sich nicht auftrennt. Viel zu lange halte so ein Knopf, sagt Maria Fiedler mit einem leicht bedauernden aber doch auch ein bisschen stolzen Unterton.

Und weil sie vor über dreißig Jahren aus Liebe zur Handarbeit, die kleine Werkstatt von ihrer 90jährigen Vorgängerin übernommen hat, gibt es hier auch Zwirnknöpfe, die von ihr zur Gänze per Hand gemacht werden. Lauter bunte Unikate mit selbsterfundenen Mustern, die sie des Abends vorm TV-Gerät anfertigt. Wobei Fernsehen dabei die Nebensache ist, weil sie sich sonst verknöpfelt, wie sie sagt. Sogar eine Fahrradfelge wurde so schon zum Riesen-Zwirnknopf, den man sich allerdings nur an die Wand hängen kann.

 

II Zinnknöpfe und handbemalte Knöpfe aus Gmunden, OÖ

„Ich erkenne meine Knöpfe immer und überall“, sagt Gottfried Schrabacher, während er uns einen winzigen Zinnknopf in Edelweiß-Form in die Hand drückt. Ein formvollendetes Mini-Kunstwerk, fast so schön wie sein pflanzliches Vorbild, und wir glauben es Herrn Schrabacher sofort. Immerhin ist der gebürtige Ennstaler gelernter Goldschmied und vor 25 Jahren durch einen Konkursfall in Gmunden zufällig auch auf den Knopf gekommen. Seither werden im kleinen Familienbetrieb, der sich stolz „Gmundner Metallwerkstatt“ nennt, nicht nur Schmuckstücke sondern auch Knöpfe nach individuellen Entwürfen hergestellt. Als Vorlage für seine Kollektionen dienen dem Meister alte trachtige Motive und alles was ihm sonst noch so in den Blick kommt. Das kann ein Element eines traditionellen Ausseer Holzbalkons genauso sein wie ein Stoffmuster. Er habe deshalb sogar die Vogue abonniert, sagt Gottfried Schrabacher, weil er darin häufig eine Inspiration finde.

Da man aber nicht jeden Knopf schützen kann, tauchen natürlich immer wieder Kopien auf. Die sind allerdings zumeist computergesteuert gefräst, was zwar ok ist, ihnen aber Tiefenschärfe und Individualität raubt. Bei Schrabachers werden sie im althergebrachten Schleuderguss-Verfahren vervielfältigt.

„Wir gehören damit zu den letzten Mohikanern“, sagt Sohn Mathias, der jetzt schön langsam in den Betrieb hineinwächst. Obwohl er schon mit elf Jahren sein erstes Schmuckstück entworfen hat, lernte er doch lieber Maschinenbauer und ging ein paar Jahre auf Wanderschaft, um sich die Hörner abzustoßen, wie er es selbst formuliert.

Wie man einen Zinn-Knopf macht, hat er natürlich schon als Kind gesehen. Zunächst wird das Modell per Hand gezeichnet und das Negativ in eine Metallplatte gefräst. Der Prototyp wird dann in eine runde Silikonscheibe öfters einvulkanisiert. In diese Matritzen wird mit einem kleinen Apparat, das auf 315 Grad erhitzte Zinn hineingeschleudert. Einmal abgekühlt werden die Fast-Schon-Knöpfe händisch herausgelöst, die Ränder gesäubert und die Löcher gebohrt. Dann kommen sie zum Polieren in eine Scheuertrommel, wo sie in einem mit Geschirrspülmittel versetztem Wasser und zwischen Keramiksteinen eine Stunde lang rotieren. Nur für die galvanische Veredelung, bei der die Knöpfe ihre spezielle Patina verpasst bekommen, müssen sie außer Haus.

Außer Haus muss auch die neueste Kreation von Gottfried Schrabacher. Von einer gelernten Handwerkerin werden auf eigens angefertigten Zinnböden handbemalte Keramikschalen aufgesetzt, die allein durch die zarten Sprünge einen unvergleichlich individuellen Charme verströmen. Die mit Emailfarben bemalten Blümchenknöpfe aus dem Schrabacher-Sortiment werden allerdings in der 180 Quadratmeter kleinen Werkstatt zur Gänze hergestellt. Ellbogen an Ellbogen arbeiten hier elf Mitarbeiterinnen, darunter Gottfrieds Ehefrau Karin, zwischen einem Formenlager von 17.000 Artikelnummern.

Wir platzen aus allen Nähten, sagt Sohn Mathias und plant bereits den Bau einer neuen, größeren Werkstatt. Seit vier Jahren ginge es wieder bergauf mit der Nachfrage nach Trachten-Accessoires, sagt er noch. Und wenn die Tracht jetzt auf soliden Beinen steht, schaut es auch für die Knöpfe gut aus.

 

III Hirschhornknöpfe aus Spittal an der Drau, Kärnten

Platzprobleme könnte man auch bei Georg Sima mitten in Spittal vermuten. Der gelernte Maß-Schuhmacher ist nämlich einer, der aus allem was macht. Und deshalb auch einer, der alles, was er sieht sammelt. In seiner Produktionsstätte, deren Größe kaum abschätzbar ist, muss man sich zwischen Unmengen von Lederstiefeln, antiken Armeetaschen, Gürteln, Beschlägen und Geweihen seinen Weg bahnen, dazwischen finden noch Mitarbeiterinnen Platz, die per Hand zum Beispiel Taschen aus alten Bergschuhen fertigen. Bis zur Decke ziehen sich Regale voll mit allen nur erdenklichen Knopfformen, trachtigen Verschlüssen und Accessoires und das Ganze auch noch zwei Keller in die Tiefe.

Ob man da jemals etwas findet, fragt man sich unweigerlich. „Alles eine Frage des Systems“, sagt Herr Sima, steuert zielstrebig durch die Gänge und zieht fast sofort den richtigen Schuber mit den kleinen Hirschhornknöpfen in Lederhosenform heraus. Klar macht er auch Zinnknöpfe, doch bei Hirschhornknöpfen ist er einer der wenigen, der die Geweihe selbst schneidet und händisch verarbeitet.

Begonnen habe er vor 15 Jahren mit Knöpfen aus alten Nägeln und Pferdebeschlägen, die er mit Leder veredelt habe, sagt Georg Sima. Und weil dann eine Witwe die Geweih-Sammlung ihres verstorbenen Gatten los werden wollte, habe sich aus dem einen, das andere ergeben. 150 Stück schafft Herr Sima in der Stunde, bei dem das ganze Geweih seine Verwendung findet. Die dicken Teile, die sich nicht eignen, werden mit den anfallenden Horn-Abfällen nach China geschickt, wo sie wegen ihres hohen Nährstoffanteils als Zusatz von Naturheilmitteln sehr geschätzt sind.

Der Rest wird zunächst einmal mit einer Bandsäge in mehrere Teile und diese dann der Länge nach durchgeschnitten. Per Augenmass, denn Georg Sima hat schon ein Gespür dafür, was geht und was nicht. Aus der verbliebenen Hirschhornschicht werden die Knöpfe gestanzt, wofür es für jede Größe einen Bohrer gibt. „Das geht vom 16linigen mit einem Durchmesser von 1 Zentimeter“, sagt Herr Sima, „bis zum 156linigen mit knapp 10 Zenitmetern.“ Letzteres muss schon ein kapitaler Hirsch gewesen sein, dessen Geweih aber eher selten am Knöpferlmarkt landet. Knöpfe werden übrigens generell in Linien gemessen, erklärt Georg Sima, das habe die Welt seinerzeit von den Engländern übernommen.

Zum Schluss werden noch die scharfen Kanten abgeschliffen und die Löcher zum Annähen eingebohrt. Zwei schafft Georg Sima freihändig, für vier gibt es eine Schablone, denn das kriegt nicht einmal einer wie er exakt parallel auf die Reihe.

 

IV Holz-, Stein- und Kuhhornknöpfe aus Heiligenblut, Kärnten

Einen gewissen Hang zum Sammeln kann man auch Hubert Pucher nicht absprechen. In seiner Knopfmacherstube macht er aus allen nur erdenklichen Naturmaterialien, die sich hier in der Abgeschiedenheit am Fuße des Großglockners zusammenfinden lassen, das was man gut und gerne als Einzelstücke bezeichnen darf. Die größte Arbeit sei es denn auch, sagt Herr Pucher, dass man am Ende acht Knöpfe findet, die zusammenpassen und als Mini-Charge verkauft werden können. Das gelte für Kuhhorn genauso wie für Stein und Holz.

Gerade Kuhhorn sei extrem schwierig, weil man zuerst die Formen schneidet und erst nachher beim Abschleifen die Maserung zum Vorschein kommt. Da die Hörner nicht gerade groß sind, bekommt man aus einem Stück, was natürlich am besten wäre, nur ein paar Knöpfe raus. Da kann es schon sein, dass er fünfzig Knöpfe machen muss, damit dann acht davon halbwegs harmonieren.

Früher hätte man die Hörner gekocht, sagt Hubert Pucher, aufgeschnitten, zu planen Platten gedrückt und die Knöpfe ausgestanzt. Das macht der gelernte Maschinenbauer nicht, weil er die natürliche Wölbung beibehalten möchte. Also schneidet er quadratische Knöpfe aus den Wänden des unteren, hohlen Teiles aus. Die mit Horn gefüllten Spitzen werden in Scheibchen zu mehr oder minder runden Knöpfen geschnitten. Individuell durchzogen von Spannungsrissen und da muss man auch erst einmal paar finden, die sich miteinander gut auf einer Strickjacke machen.

Einfacher ist das mit Holzknöpfen für die Pucher gerne Lärche, Wacholder, Nuss und sogar Zwetschke hernimmt. Da gehen aus einem Rohstoffteil mehrere Knöpfe raus, die er ebenfalls freihändig schneidet und abschleift. Diese müssen dann nur noch in Firnis gekocht werden, damit sie wasserfest sind und sich nicht gleich beim ersten Wäschewaschen aufweichen. Da Hubert Pucher nebenbei oder hauptsächlich – so genau lässt sich das nicht trennen – einen Archehof führt, auf dem er gefährdete Haustierrassen wie die Tauernscheckziege, das Turopolje Schwein, die Cröllwitzer Pute und die österreichische Landgans hält, setzt sich auch die Firnis nicht aus chemischen sondern rein natürlichen Materialien zusammen.

Und dann wären da noch die Steine. Haben Sie schon einmal sechs gleiche gefunden? Wir nehmen an, Herr Pucher auch nicht. Aber er hat ein Gefühl für Formen, wovon man sich in seinem kleinen Laden überzeugen kann. Hier und nur hier kann man seine Unikate kaufen. Wobei Steinknöpfe kaum dabei sind. Die macht er heute nur mehr auf Bestellung, wie zum Beispiel für die Sternsinger, die ihre Loden-Umhänge damit schmücken. Für die setzt er sich dann auch im Winter mit seinem wassergekühlten Diamantbohrer sogar in die Badewanne, um in einen Serpentinit, auch Tauerngrün genannt, zwei Löcher zu bohren. Überall anders hier würde das Wasser nämlich gefrieren. Echte Einzelanfertigungen von einem Einzelkämpfer also. „Große Mengen interessieren mich nicht“, sagt Hubert Pucher, knöpft sich seine Jacke zu und verschwindet in seiner Werkstatt, um vielleicht ein paar Teile zu finden, die doch noch zusammenpassen.

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