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Die Schmetterlingsforscher

Servus Magazin - Juni 2019

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EINE AUSSTERBENDE SPEZIES

Von den Insektenforschern Kurt Lechner und Alois Ortner, die drei Jahre lang im Tiroler Brandenberger Tal Schmetterlinge zählten.

Foto © Bernhard Huber

Schmetterlingsforscher – allein das Wort ist eine Ansage an die Phantasie. Da stolpert gleich einmal eine schlaksige Figur durch die imaginäre Kopflandschaft, die Jacques-Tati-artig mit einem Kescher in der Luft wachelt. Umschwirrt von Faltern, von denen ihm einer auf dem Nasenspitzel sitzt. Auch Alexander Humboldt kommt einem in den Sinn, der beim Vermessen der Welt in einem düsteren Schiffsbauch bei fahlem Licht prachtvolle Exemplare kategorisiert und in Holzschatullen schlichtet. 
Wenn schon, dann bitte Alfred Russell Wallace, sagte Kurt Lechner und sein Partner Alois Ortner nickte zustimmend. Humboldt war, tststs, zu sehr Abenteurer, sagten sie dann fast gleichzeitig, Wallace hingegen ein ernstzunehmender Naturforscher, der unabhängig aber gleichzeitig mit Charles Darwin auf die Evolutionstheorie kam. Wem da mehr Respekt gebührt, war denn auch der Laiin sogleich klar.  
Ich saß mit den beiden Biologen – übrigens bodenständige Tiroler, denen professoral Verhuschtes fern lag – auf ein paar großen Steinen an denen die Brandenberger Ache vorbeirauschte. Das Tal nördlich von Kramsach ist seit ein paar Jahren als „Schmetterlingstal“ bekannt, weil dort exakt 824 verschiedene Schmetterlingsarten gezählt werden konnten, darunter einige vom Aussterben bedrohte. 
Drei Jahre lang lagen die beiden Forscher dafür auf den Lichtungen und Almwiesen hier rundum auf der Lauer. Mit viel Geduld ja, aber nicht durchgehend, sagt Kurt und grinst bei dieser Vorstellung amüsiert. Erstens dauert die Schmetterlingssaison nur von Juni bis September, zweitens darf es keine langen Regenperioden geben, womit Tiroler Sommer nicht immer dienen können. Drittens aber geht der echte Schmetterlingsforscher hauptsächlich in der Nacht auf die Suche. Ohne Kescher, dafür mit einer Leinwand und einer UV-Lampe bewaffnet. Darauf fliegen die Insekten und wenn sie dann so auf der Leinwand hängen, werden sie von Kurt und Alois zugeordnet, gezählt, nur besondere Exemplare werden eingesammelt und daheim genau bestimmt.
38 Leuchtnächte waren es und die macht man besser zu zweit, sagt Alois, sonst wird’s langweilig. Da Insekten nicht auf Geräusche reagieren, könnten die beiden sogar Lieder singen, wenn sie wollten. Vermutlich haben sie sich aber genug zu erzählen. Seit Kindesbeinen sind der Weerberger Kurt Lechner und Alois Ortner aus Stans dicke Freunde und beide wussten sie schon in der Volksschule was sie einmal werden wollten. Seither können sie ohne Pinzette, Sammelröhrchen, Stirnlampe und Kescher nicht einmal mehr auf Urlaub fahren.
Da schau, ein Rostfarbiger Dickkopffalter, jubelte Alois als er mit Kurt am Ufer der Ache in der Tiefenbachklamm entlang zischte. Vom Jagdfieber gepackt brachen die beiden sogar über einen herkömmlichen Zitronenfalter in Jubel aus. Bis vor ein paar Jahrzehnten, sagten sie dann mit leiser Melancholie in der Stimme, während die dem gelben Flattermann beim Davonschweben zusahen. Früher, sagten sie also, war Schmetterlingssammeln sehr populär. Heute aber zählen auch sie bereits zu einer aussterbenden Spezies. 

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