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Die Bergers

Servus Magazin -  April 2018
VOM WEITEN HORIZONT

Wie lebt es sich so am Ende des tiefen Tales? Auf keinen Fall hinterwäldlerisch, haben mich Ludwig und Bernhard Berger gelehrt.

Es gibt Momente, die einem sein stereotypes Denken ganz schön vor Augen führen. Man legt sich ja gerne die Welt zurecht, damit alles seine Ordnung hat und man den Überblick behält. Dafür gibt es ein paar einfache Formeln und schöne Allgemeinplätze und man kann gar nicht gut genug aufpassen, schon haben sie sich unbemerkt eingeschlichen. Oftmals bleibt man dabei auf der Hälfte des Weges stecken. Dass die Landschaft in die er hineingeboren wurde, den Menschen prägt, zum Beispiel ist so eine gängige Binsenweisheit. Bequem heruntergebrochen heißt das: enges Tal fördert kurzsichtiges Denken, Flachland ermöglicht einen weiten geistigen Horizont oder so ähnlich. 

 

Dann saß ich eines Tages mit Vater und Sohn Berger in ihrem Gasthof Islitzer ganz hinten im Osttiroler Virgental. Dort, wo sich die steilen Mähder zum Talschluss verjüngen und es nur mehr zu Fuß weiter geht zu den tosenden Umbalfällen oder steil hinauf auf den Großvenediger. Wennst hier aufwächst, sagte Bernhard der Sohn, wirst neugierig, was hinterm Berg ist, dann zieht es dich rauf sobald du gehen kannst. Er war Bergsteiger, so wie fast alle hier im Tal. 

 

Mit den spektakulärsten Dreitausendern der Hohen Tauern vor der Haustür, kannst du dir jeden Tag aussuchen von welchem Gipfel dir heute die Welt zu Füßen liegen soll. Da sitzt du dann hoch über der Welt und deine Gedanken können in die Unendlichkeit purzeln ohne von irgendetwas gestoppt zu werden. Und aus der Vogelperspektive stellst du dir vielleicht vor, wie das Leben irgendwo anders da unten ist. 

 

Mit 15 hab ich mir das kurz angeschaut, sagte Bernhard und dass er nach einer Woche seine sieben Zwetschken packte und wieder nach Hause fuhr. Zu wenig soziales Gefüge in der großen Stadt, sagte Bernhard und meinte damit Innsbruck. Hier im Tal kann es zwar manchmal menschlich eng werden, aber es schaut jeder auf jeden, damit nichts passiert. Wenn ein Hof abbrennt zum Beispiel rücken alle Bauern mit einem Baum an und helfen beim Wiederaufbau mit. Das war immer so, das ist heute noch so.

 

Für Ludwig den Vater war als Jugendlicher ein Fußmarsch ins 16 Kilometer entfernte Virgen am Taleingang bereits ein Erlebnis. Er träumte von der weiten, der unbekannten Welt aber das Leben ließ ihn nicht raus aus dem Tal. Mit 50, sagte Ludwig, hab ich dann zum Rauchen aufgehört. Er sparte das Zigarettengeld zusammen und als ein paar Jahre später Bernhard das Wirtshaus übernahm, gab es für Ludwig kein Halten mehr. 

 

Alleine, ohne ein Wort Englisch und nur mit Osttirolerisch im Repertoire ging er auf Reisen. Ich habe mir die ganze Welt angeschaut, war fünfmal in Australien, dreimal in Südamerika, in Afrika, in Asien, undundund, zählte Ludwig auf und dabei glänzten seine Augen so voller Abenteuerlust, dass man am liebsten sofort mit ihm aufgebrochen wäre um noch ein neues Land zu entdecken. Kein einziges Mal war er auf schlechte Menschen gestoßen, keine einzige Sekunde war es irgendwo ungemütlich für ihn geworden, geholfen haben sie ihm überall.

 

82 war Ludwig Berger damals und in seinem Reiseatlas fehlte ihm nur noch die Antarktis. Dort war er mittlerweile vermutlich schon. Wäre er im Flachland geboren, wer weiß, wie weit er gekommen wäre.  

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