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Lechpartie

Servus Magazin November 2012
EINE ALTAUSSEER LECHPARTIE

Seit 300 Jahren sind die Fischer die Herren des kleinen Sees im Salzkammergut. Seit damals werden sie jedes Jahr ab November ihre Netze zum Lechfischen, also zum Laichfischen, aus. Daraus entstand der urige Brauch des geselligen Beisammenseins rund ums offene Feuer.

© Foto Marco Rossi

So schnell kann’s gehen. Spiegelglatt lag er gestern da der Altausseer See. Eine Natur-Pretiose, tiefblau und umrahmt von den sonnenbeschienenen Gipfeln der Trisselwand, des Losers und des Ahornkogels. Diese kann man sich heute nur mehr aus dem Gedächtnis abrufen. Sie sind einfach weg. Genauer gesagt hängen die Wolken so tief, dass man auf ihnen locker den See überqueren könnte.

„Jo so is bei uns im Herbst“, zuckt Franz Pichler, der Wirt der Jausenstation Kahlseneck lapidar die Schultern. „Amoi so, gö, und amoi a so.“ Gelassen beobachtet er wie der Regen über den See peitscht, nicht einmal der immer stärker werdende Wind scheint ihn zu beunruhigen. Da habe man schon bei ärgeren Wetter Lechpartien durchgeführt, sagt er, und abgesagt sei seines Wissens überhaupt noch nie eine worden. Lediglich die Anreise zur genau gegenüberliegenden alten Lechhütte muss der Witterung angepasst werden, und da ist man bei der heutigen Partie im wiegelwogel. Geplant war eine Überfahrt mit Pletten, was bei hohem Seegang gar nicht geht. Zweite Möglichkeit: mit dem solarbetriebenen Katamaran zur Anlegestelle bei der Seewiese und dann ein Stückerl zu Fuss weiter. Oder wenn’s zu sehr stürmt oder gar schneit, einfach per Pedes rund um den See.

Wer einmal das Glück hatte, eine der raren Lechpartien zu ergattern, der lässt sie auf keinen Fall sausen. Und wer einer der maximal zwanzig dazu Geladenen ist, der sagt nur aus wirklich ganz triftigen Gründen ab. Das Wetter gehört da definitiv nicht dazu.

Lediglich 25 Lechpartien werden jährlich von Anfang September bis Dezember am Altausseer See veranstaltet und es herrscht so ein großes Griss um sie, dass man, wenn man sich jetzt beim Fischereiverband dafür anmeldet, minimum drei Jahre warten muss, um überhaupt in Betracht gezogen zu werden. Ja, Sie haben richtig gelesen: Anmelden kann sich gerne jeder, ob er dann darf, hängt von Faktoren ab, auf die er selbst kaum Einfluss hat. Es ist ein bissel so wie mit dem Regenwetter. Kommt’s, dann ist man zwar mit Wetterfleck und Schirm gut ausgerüstet, man kann aber trotzdem nichts tun, damit’s besser wird.

Alle, die noch nie dabei waren, munkeln ja gerne, dass man sich so eine Lechpartie kaufen kann. „Blödsinn“, knurrt der Tanner Sepp, „des kost’ fir olle gleich. Ober mit wem i’s moch, des bstimm’ imma no i.“ Der Sepp ist einer von Zwölf, die am Altausseer See das Recht zum Netzfischen haben. Ein ererbtes Recht, das seit der Zeit Maria Theresias von Generation zu Generation innerhalb der Familien weitergegeben wird. Seit damals gehört der See den Fischern, die ihn, so wie die Bauern mit ihrem Servitut auf den Almen, nutzen dürfen. Und damals, vor 300 Jahren also, haben die Fischer beschlossen, dass in ihrem See nur Fische, die ursprünglich hier beheimatet sind leben dürfen. Kein fremder Hecht, kein Wels oder gar Huchen hat jemals dieses Gewässer gesehen, hier leben hauptsächlich Saiblinge, ein paar Forellen und ein paar Aiteln. Damit keine Krankheiten eingeschleppt werden, begann man damals auch mit einer eigenen Seeaufzucht und mit dem Laichfischen, was auf gut ausseerisch Lechfischen genannt wird.

Im November und Dezember fahren seither die Fischer mit ihren Netzen auf den See, um die in der Tiefe laichenden Saiblinge vorsichtig einzusammeln. „Das ist eine ausgeklügelte Technik“, sagt Otto Kalß vom Fischereiverband, „das geht nur zu zweit.“ An sechs markierten Stellen im See, mit den klingenden Namen Buama, Stock, Duschn, Feichtl, Statt und Steinwand legt man die 60 Meter langen Netze am Seegrund in Schleifen aus. Darin verfangen sich die Fische so, dass sie keinen Schaden nehmen. Der Laich wird noch am Boot abgestreift und der schlechte vom guten getrennt. Die guten Babyfische hegt und pflegt man dann bis Mitte Mai in kleinen Seebecken, um sie schließlich in die Freiheit des Altausseer Sees zu entlassen. „Damit hatten wir hier immer schon eine nachhaltige Seebewirtschaftung“, sagt Otto Kalß.

Heutzutage sind die Netze natürlich aus leichtem Monofil, früher waren sie aus schwerem Garn. Um sie zu trocknen, bauten sich die Fischer eine schlichte Holzhütte mit einer Feuerstelle in der Mitte. Hier wärmten sie zwei Monate lang täglich Körper und Seele und brieten sich dazu einen Saibling. Alsbald schauten die Altausseer bei ihren Seespaziergängen vorbei, tauschten Speckjause und Schnaps gegen frisch gefangene Fische und blieben ein bissel hocken. Oftmals gern auch ein bissel länger, denn es gibt wohl nur wenige Plätze, an denen man der Natur und sich selbst so nahe sein kann, wie bei der Altausseer Lechhütte. Wenn der Blick übers glasklare Wasser gleitet, haben die Gedanken freien Lauf, während einem die massiven Felsen des Steinernen Meeres den Rücken schützen. Fernab des täglichen Tuns waren hier im sanften Feuerschein schon immer alle gleich. Egal ob Adeliger, Politiker, Bürger oder einfacher Bauer, einträchtig saßen sie auf den einfachen Holzbänken beieinander und verließen trunken vor Seeligkeit (und Schnaps) wieder den schier magischen Ort.

Wann auch immer den Fischern der Zulauf zu groß wurde, ist nicht überliefert. Vielleicht war es Achtzehnhundertirgendwas als die Hütte des Nächtens plötzlich abbrannte. Sie wurde zwar genauso wieder aufgebaut, allerdings mit einer kleinen Verbesserung: Eine Eisentram über der Feuerstelle schützt sie seither vorm Abfackeln durch Stichflammen.

Irgendwann also war es den Fischern zuviel, sie begannen das fröhliche Treiben zu kanalisieren und so entstand die Tradition der limitierten und organisierten Lechpartien. Bei denen der Fischer quasi wie ein Wirt für die Saiblinge und die vorher ausgemachten Getränke sorgt und der Gastgeber, der einen Termin ergattert hat, bezahlt und eine ausgewählte Runde einlädt.

Neun Fischer sind es derzeit, die sich die Partien aufteilen, einer davon ist der Sepp. Mit ihm und seinem Sohn Benedikt schippern wir zu Mittag über den stillen, regenverhangenen See zur Hütte. Mit an Bord 26 Saiblinge, die über Nacht in einer Lauge aus 1 Liter Wasser und 1 Packerl Salz mariniert wurden. Mit ruhiger Hand fädelt Sepp jetzt durch jeden ein Holzsteckerl. Vom Maul durch den ausgenommenen Bauraum und beim Schwanz wieder raus. Dann lehnt er sie in Reih und Glied im Freien an die uralten Holztramen damit noch Wasser rauslaufen kann.

Ganz schön klamm und ungemütlich ist es heut’, sagt der Sepp und, dass es an der Zeit wäre, zum Einheizen. So wie einst entfacht er in der Hütte ein Lagerfeuer aus Fichtenholz, denn das macht die ideale Temperatur, damit die Fische nicht zu schnell braten. Zwei Stunden lang hängen die dann auf einem Gestell rund ums Feuer, alle 20 Minuten werden sie von Vater und Sohn sorgfältig kontrolliert und umgehängt, damit sie schön gleichmäßig durchgebraten werden. Reine Gfühlsach, sagt der Sepp, der natürlich das Gspür dafür im kleinen Finger hat. Aber, sagt er noch, eine Ruhe müsse man haben, sonst wird das nichts. Beleuchtet vom warmen Licht der Flammen erzählt er während die Fische sanft vor sich hin brutzeln vom Leben im Großen und im Kleinen, von lustigen Lechpartien und solchen zum Vergessen, vom Schein und Sein der Menschen, das sich nirgendwo besser offenbart, als beim Anblick eines archaischen Feuers mit etwas Alkohol intus.

Punkt Vier hat sich derweilen in Kahlseneck die illustre Runde vom Bürgermeister über den Hirschenwirten bis zur Schneiderin bei Gastgeber Franz Pichler eingefunden. Und weil der Wind grad eine Pause einlegt, besteigt man mit Schirmen bewaffnet die Pletten zur Überfuhr. Ebenfalls dabei: die Kreuz-Saiten-Musi mit den Geschwistern Wimmer – Sophie, Josi und Herbert – aus Grundlsee und Franz Pichlers Tochter Anna samt steirischer Harmonika, Geigen und Gitarren. Das Quartett zählt zu den besten Volksmusikanten der Region und tritt normalerweise auch mit einer Harfe auf. Für die ist aber in der kleinen Hütte kein Platz. Hier kuscheln sich jetzt alle rund ums Feuer und fiebern dem ersten Höhepunkt entgegen.

 

Auf geht’s, sagt der Sepp und legt die perfekt im eigenen Saft gebratenen Saiblinge auf einfache Holzbrettln, dazu ein Stückl Brot. Kurze Zeit ist jetzt nichts anderes zu hören als das Knistern des Feuers, denn solch ein purer Fisch-Genuss wird selbst den Altausseern sonst nie geboten. Der Sepp beobachtet’s mit Freude und ist sofort mit dabei als der erste Schmäh quer übers Feuer geschoben wird.

 

Von da an gibt’s kein Halten mehr. Zur fröhlichen Steirer-Musi gibt ein lustiges Gstanzl das andere, es wird gelacht und gefeiert als gäb’s kein Morgen mehr. Dem Bürgermeister wird ein bissel eingeschenkt, der Franz wird gepflanzt und vor der Hütte wird diskret so manch anstehendes regionales Problem besprochen, um drinnen beim Feuer gleich wieder geselligen Spaß an der Freud zu haben. Solange bis der Sepp kein Holz mehr nachlegt. Dann ist es an der Zeit, dass alle trunken vor Glück versuchen im Heute und Jetzt wieder aufzutauchen.

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