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Michael Ostrowski

1873-Magazin 2017
ALLES DARF MAN

Michael Ostrowski ist ein kreatives Gesamtkunstwerk. Voll Fantasie, Humor und schräger Kostüme. Ein Gespräch mit Witz, Tiefgang und über sein Mittel gegen

Fake News.

© Foto Irina Gavrich

Michael Ostrowski als „normalen“ Schauspieler zu bezeichnen wäre eine Beleidigung. Seit 20 Jahren schleicht er sich ins Bewußtsein der Öffentlichkeit, heute ist er fixer Bestandteil der heimischen Kulturlandschaft. Leise war er dabei nie, er war immer schräg, witzig und frech, was ihm zunächst das Etikett kultig einbrachte, das noch heute ein bisschen an ihm klebt. Und er war immer mutig genug, sein Ding durchzuziehen. Das öffnete ihm so manche Türen, das bescherte ihm vor allem eine Freundschaft. Mit Regisseur Michael Glawogger, der vor drei Jahren an Malaria verstarb, verband ihn mehr als die gemeinsame Arbeit.

Als wir Michael Ostrowski baten einen Ort für das Interview auszuwählen, bestimmte er das Restaurant Ronahi im 7. Bezirk in Wien. „Das ist mein verlängertes Wohnzimmer“, sagte er, „dort haben ich mit dem Glawo gearbeitet und Pressekonferenzen abgehalten.“ Den ersten Termin musste der Drehbuchautor, Schauspieler und Regisseur allerdings zwei Stunden davor absagen, weil er kurzfristig zu einem Film-Dreh nach Kroatien abkommandiert wurde. Da damit auch die Geburtstagsfeierei mit seiner Freundin am nächsten Tag ins Wasser fiel, entspann sich bereits im Vorfeld telefonisch ein Gespräch über Verläßlichkeit und Freundschaften, das wir gleich fortsetzten.  

 

Setzen wir doch unser Telefonat fort: Wie organisiert man als vielbeschäftigter Künstler Freundschaften?

Gestern bei der Demonstration gegen das Mur-Kraftwerkhab hab ich mich spontan mit Helmut Köpping, mit dem ich viel zusammenarbeite, getroffen und dann den ganzen Abend mit drei verschiedenen Freundeskreisen verbracht. Das ist ein Luxus und in Graz ein bissl leichter als in Wien. Ungeplanter. Da muss man sich nicht alle zwei Wochen zusammenrufen. Das hat mich noch nie interessiert, das geht mir auf die Nerven.

 

Vielleicht macht es Ihnen Graz leichter, weil Sie dort verwurzelt sind.

Hundertprozentig. Ich bin mit 18 nach Graz und schon lang dort. Ich bin gern in Wien, aber in Graz erreichst alles zu Fuß, nicht nur drei Straßen in einem Viertel. Ich würde aber nicht glücklich sein, würde ich mein Leben nur in Graz verbringen. Ich bin seit vielen Jahren pendelnd.

 

Ist das eine Form der Entspannung?

Oje, ich versuch immer mehr, dass ich terminmäßig länger als 4 Tage an einem Ort sein kann. Normal ist meine durchschnittliche Verweildauer zwischen drei und fünf Tagen, dann geht es woanders hin.

 

Wird Ihnen schnell fad, wenn Sie zu lange wo statisch sind?

Ich kann echt gut allein daheim sein. Mir ist mit mir selber nie fad. Ich hab so viel zu denken oder zu tun. Das ist das Gute, wenn man selber schreibt: Man hat immer was zum Schreiben. In dem Sinn hab ich nie ganz frei, weil ich immer arbeite.

 

Sie, still allein daheim, das kann man sich gar nicht vorstellen.

Ich mach sicher keine Postings: Sitze zu Hause, habe es gemütlich mit einer Banane am Tisch oder einem Keks.

 

Spielt Freiheit eine große Komponente in Ihrem Leben?

Ja sicher. Ich hab aber Kinder, die sind für mich wichtig. Das könnte man auch mit Unfreiheit gleichsetzen, oder so wie es, glaub ich, einmal die Eva Jantschitsch, die Gustav (Anm. Sängerin), schön formuliert hat: „Durch Kinder wird die Angriffsfläche des Schicksals erweitert“. Natürlich wird man angreifbarer, man wird unfreier, man wird des und des und des, aber ich versuche es nicht als Einschränkung zu sehen und meine Freiheit dadurch nicht zu minimieren.

 

Sehen Sie sie oft?

Klar, klar, klar, das ist ein Grund, warum ich auch in Graz leb.

 

Was war denn Ihr erster Job?

Ich war mit 15 in der Milchfabrik im Ennstal. Expedit, vier Grad Celsius im Juli, durchgängig, den ganzen Tag. Da hab ich Sachen gesehen, die ich sonst nie gesehen hätt. Dort waren Nebenerwerbsbauern, die in die Fabrik gegangen sind, damit sie den Hof erhalten können. Als Gymnasiast war es schon gut ein bissl das Leben zu sehen.

 

Es hat Sie früh hinaus in die Welt getrieben. Aus Neugierde?

Das ist mein Hauptantrieb. Zu wissen was los ist, wie sind die Menschen generell, wie leben sie woanders und was passiert.

 

Hätten Sie sich vorstellen können in Rottenmann zu bleiben?

Ähem, es hat einmal ein Therapeut gesagt, man lebt teilweise unbewusst das aus, was die Generationen davor nicht gemacht haben. Mein Vater ist nach seinem Studium in Graz in die Obersteiermark zurückgegangen. Er hat dort gleich einen Job gekriegt, weil es damals keine Lehrer gab. Er hat insgesamt 21 Fächer unterrichtet, also so gut wie alles. Eigentlich hat er Deutsch und Geschichte studiert, hat dann aber von Rechnungswesen über Turnen alles gemacht. Das war vielleicht mehr Abenteurertum für ihn, als die Welt zu erforschen. Ich selber hab Sprachen studiert, mit dem Gedanken, damit komm ich ins Ausland.

 

Sind Ihnen Sprachen leicht gefallen?

Ja, ich hab das immer gern mögen. (besser als „megen“, oder?)

 

Das führt mich zu Ihrem Namen, der nicht Ihr eigener ist, der aber gut passt. Wie sind Sie darauf gekommen?

Ich sag viel zu viel die Wahrheit, es ist Zeit wieder mal einen Blödsinn zu sagen. Also, mir ist der Name erschienen. Es war so: ich hatte einen Meditationswachtraum und hab zwei Wörter vor mir aufsteigen sehen: Stroh und Ski. Aber was mach ich jetzt mit Stroh und Ski? Das sind komplett unterschiedliche Welten und ich hab sie mit Ostrowski einfach verbunden. Oh!-Stroh-Ski.

 

Wieso haben Sie das Gefühl, dass Sie zu viel die Wahrheit sagen?

Gegen Fake News helfen nur gut ausgedachte Geschichten. Stefanie Sargnagel wurde dafür beschimpft, weil sie in einer Geschichte erzählt, dass ihre Freundin Katzen getreten hat. Da reagieren dann die ganz böse, die ungefiltert Nachrichten lesen und sie verbreiten. Die hinhauen und sagen, das geht ja nicht, das darf man nicht sagen, nicht denken. Alles darf man. Man muss die Fantasie laufen lassen und man muss auch einen Blödsinn schreiben dürfen. Ich sehe das als Teil der Welt. Einfach drauf los schreiben, fantasievoll was erfinden, so dass niemand weiß, ist das echt oder nicht. Das ist ein Grenzgang, den muss man offen halten. In einem Interview kann man die Wahrheit abliefern, ich kann aber Teile dazu erzählen.

 

Bittesehr...

Das mit dem Namen, das ist wirklich so, weil es Gegensätze vereint. Stroh und Ski, also Sommer und Winter. Es ist irgendwie polnisch geworden, wo aus was typisch Österreichischem durch ein O einfach was Polnisches wird. O–Stroh-Ski. Eine Metamorphose.

 

Sie könnten einmal etwas in einer Fantasiesprache machen.

Hab ich schon für einen Sprachwissenschaftsprofessor. Eine ganze Tagung als Vortragender in einer Sprache, die es nicht gibt. Sogar eine Hymne haben wir gemacht.

 

Sie reden auch viel im Dialekt, wenig Hochdeutsch.

I bin zweisprachig erzogen worden. Stoasteirisch und Hochsprache. Ich hätte mich jederzeit entscheiden können, auch so zu sprechen. Ich hab es nicht.

 

Hat man Ihnen das nicht in der Schule abgewöhnt?

Der Dialekt war nicht negativ behaftet. Ich bin in Stainach in die Schul gegangen. Da hätten sie dich angeschaut, als wärst ein kompletter Vollkoffer, wenn du anfangst Hochdeutsch zu redn. Als ich Sprachen studiert hab, hat sich bestätigt, dass die neue Sprachwissenschaft immer mehr auf Dialekte zurückgeht, weil das Identität schafft und für Sprachen bereichernd ist.

 

Schreiben Sie auch im Dialekt?

Bei Dialogen im Drehbuch schon. Ich schreib aber für jede Figur den passenden Dialekt. Also für einen Deutschen, schreib ich wie für einen Deutschen. Und ein Pakistani bekommt eine pakistanische Färbung.

 

Schreiben Sie in einem durch oder haben Sie Phasen?

Phasen. Ich hab grad dreimal einen Anfang von einem Drehbuch geschrieben. Das lass ich jetzt ein bissl liegen und zeig es einem Freund, oder zwei, und dann werd ich es wieder verändern.

 

Drücken Sie sich manchmal davor anzufangen?

Da tu ich sogar zamramen (Anm. zusammenräumen), was ganz schlimm ist, find i. Selbstüberlistung. Dann denk ich, Zammräumen ist dermaßen fad, ich mach das schnell, dann darf ich anfangen.

 

Wieviel Anteil hat der Zufall an Ihrem Werdegang?

Das ist eine philosophische Frage, was Zufall ist. Aber man könnte sagen, dass der Michi Glawogger in einer Drehbuchjury gesessen ist (Anm.: als er sein erstes Drehbuch eingereicht hat) das war Zufall. Ich glaube trotzdem, dass ich irgendwie zum Film gefunden hätte. Ich hab mir damals ganz naiv gedacht, jetzt schreib ich ein Drehbuch und eine Hauptrolle für mich, weil einmal will ich das machen. Ich will nicht zu einem Casting gehen, ich will nicht zu einer Agentur gehen, ich mach das einfach. Dass es dann ein großer Spielfilm geworden ist, „Nacktschnecken“, da war sicher Zufall dabei. Alles weitere was sich entwickelt hat, war nicht zufällig. Durch Glawo hab ich Detlev Buck kennengelernt. Wir haben uns gut verstanden, dann hat er mich eingeladen ein Drehbuch für „Same Same but different“ zu schreiben. Man hantelt sich weiter.

 

Was haben Sie uns da für eine Auswahl an persönlichen Dingen mitgebracht?

Das Leiberl ist für mich mein Anfang, weil dass ich mich für irgendwas in Kultur und Showbusiness interessiert hab, war er, der John Lennon, John Winston Lennon.

 

Wann ist er in Ihr Leben getreten?

Meine erste große Liebe war Shakin‘ Stevens, meine zweite war John Lennon. Ich hab den Typen immer spannend gefunden. Er hat Songs geschrieben, war Grafiker, Zeichner, hat Bücher geschrieben, war Musiker, und Friedensaktivist. Oida! Und ein wüda Hund.

 

Wie kamen Sie zu diesem Leiberl?

Ich weiß es nicht, ich habe es öfter beim Drehen angehabt. Ich hab mich, auch als Moderator, immer selbst um mein Outfit gekümmert. Im Verbund mit Kostümbildnerinnen, aber letztverantwortlich. Das gehört zum Beruf, dass man ein Gefühl kriegt fürs Visuelle, für das, was passt, was Stil ist. Vielleicht ist man auch ein bissl daneben, manchmal...

 

Was haben wir noch?

Das ist mein Bartschneider, weil ich oft in mehreren Produktionen gleichzeitig spiel und schauen muss, dass mein Bart auf Anschluss ist. Zum Beispiel bei „Vier Frauen und ein Todesfall“ zieht sich das öfter über dreieinhalb Monate. Dazwischen dreh ich zwei andere Filme, da musst du mit den Maskenbildnern schauen, dass sich das mit der Bartlänge ausgeht. Da hab ich selber meinen Bartschneider und tu das mitkontrollieren. Wenn dir einer einmal zuviel wegschneidet, kannst keinen Anschluss mehr machen. Das ist also mein Anschlussbartschneider.

 

Wir gehen weiter…

Eine wild herausgegriffene DVD, bei der es mir um den Takashi Miike geht, den ich für den wahnwitzigsten, lustigsten, verrücktesten Regisseur mindestens halte. Ein Japaner. Die DVD hab ich auch noch nicht gesehen, aber die zwei Vorgänger von der Trilogie.

 

Das Cover schaut wüst aus.

Sehr trashig. Er macht viel Unterschiedliches, Verfilmungen von Comics, irrwitzige Gangsterfilme, viele Kampfszenen, unglaublich gut choreographiert, sehr brutal, sehr verrückt. Sensationell, dass jemand das so durchziehen kann. Er macht im Jahr vier bis fünf Filme, das ist, wie wenn Sie drei Romane schreiben. Ich hab das Gefühl, dass er künstliche Hilfsmittel benutzt, aber das tut ihm nicht schlecht. Ich gebe hiermit den Lesern und Leserinnen des Journals mit – und auch der Autorin - sich diesem verrückten Regisseur, Takashi Miike, anzunähern. Mich inspirieren Leute, die sich was trauen.

 

Dankeschön. Und hier haben wir noch „Abbey Road“ von den Beatles.

Das ist vielleicht fad? Ich hab es genommen wegen dem Cover. Es gibt Bilder im Leben, die wirken nach, bis heute.

 

War das Ihre erste Schallplatte?

Eine meiner ersten. Ich finde, die Beatles waren so weit, haben so viel erlebt, so viel gemacht und waren so stilbildend. Schau wie die ausschauen, das ist einfach großartig.

 

Jetzt kommen wir zu Ihrer Kette.

Die habe ich schon in „Contact High“ getragen und habe sie auch beim letzten Dreh für einen Teenie-Slasher-Film in Kroatien umgelassen. Und ich trage sie bei „Herr Ostrowski sucht das Glück“.

 

Ist das Ihre private Kette?

Das ist das, was ich vorher mit Kostüm gemeint hab: du bringst immer deine Sachen mit in eine Rolle. Michi Glawogger und ich, wir haben uns oft T-Shirts mitgebracht, oder Hemden, wenn wir unterwegs waren. Ich hab ihm einmal ein Jimi-Hendrix-Hemd mitgebracht, das hat dann ein Schauspieler in einem Kurzfilm von ihm getragen. Ich hab bewusst bei „Hotel Rock’n’Roll“ Kostüme genommen, die wir bei „Nacktschnecken“ verwendet haben.

 

Können Sie auch mit humorlosen Menschen?

Ich finde humorlos ist knapp hinter fantasielos. Eigentlich haben viele Humor, man muss es nur außekitzeln. Die meisten, die mich buchen, wollen einen Schmäh haben, sind also nicht humorlos. Es gibt aber die Generation „Stick to it“, Generation „bleib dabei“, die findet wichtig, dass man alles gut durchdacht mit Anfang-Mitte-Ende und safe macht. Da fehlt meistens der Humor, und die haben langsam die Welt übernommen. Das sind die, die zu mir sagen: also bleiben wir schön brav, bitte keine groben Änderungen im Plan, nichts Überraschendes, und vor allem: es soll schon lustig sein, aber nicht zu lustig, nur in einem gewissen Rahmen. Dass Ausreizen dieses Rahmens ist meine Aufgabe.

 

Wie war es mit 29 den Nestroy-Preis zu bekommen?

Es war für das Grazer Theater im Bahnhof, ich hab das nie als einen persönlichen Preis empfunden sondern für das Kollektiv. Ich hab damals eine Dankesrede auf englisch mit russischem Akzent gehalten. Ich hab die Leute aufstehen lassen, und klatschen und eingfeut…

 

…anfeun? Beschimpft?

Nein einfeun heißt jemand täuschen… Konkret: alle stehen auf, jetzt klatschen alle gemeinsam, dann sagst: wenn ich klatsche, klatschen alle gemeinsam, und dann sagtst eins, zwei und auf drei tust du es nicht, aber das Publikum. Das war ein vollkommen irrer Auftritt und ein Jahr später durfte ich den Nestroy moderieren.

 

Spielen Sie noch Theater?

Ich hab zwei Anfragen, aber ich hab das Gefühl ich kann mich grade nicht so langfristig binden.

 

Brauchen Sie nicht den direkten Kontakt zum Publikum? 

Ich komm ja vom Theater. Hab 10 Jahre während meines Studiums nur gespielt. Auf der Straßn, vor sieben Leut, vor 700, ich hab jeden Scheiß gemacht.

 

Sie sind jetzt 44…

…sagt man, angeblich.

 

Steht in Wikipedia.

Das kann auch eine Fehlinformation sein…

 

Zeit für eine Midlifecrisis?

Pffft… ich weiß nicht was Midlife ist. Midlife is Life (er singt nach „Life is Life“). Nein.

 

Wordrap:

Bier oder Wein – Wein auf Bier das rat ich Dir.

Flieger oder Bahn – Bahn

Motorrad oder Auto – Auto

Pizza oder Hummer – das ist vui total schwierig. Gibt es eine Hummerpizza? dann würd ich gerne Hummerpizza, bitte.

Morgen oder Abendmensch – Abend

Buch oder iPad – Buach

Telefonieren oder SMSen – telefonieren

Bürste oder Kamm – Bürste

Hund oder Katz – geeeeh weißt,…

Also gut: Schwein oder Kuh – Schwein, das ist mir lieber.

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