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Auf den Spuren von Peter Mitterhofer

Servus Magazin - April 2022

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DER PIONIER

Er war Musikant, Bauchredner und ein geschickter Zimmermann und Tüftler. Als Erfinder aber ereilte dem Vinschgauer ein typisches Schicksal: Der Durchbruch seiner Schreibmaschine fand ohne ihn statt.

Foto © Bernhard Huber

Die Schreibmaschine, ein an sich einfaches, mechanisches Gerät und doch so essentiell für die gesellschaftliche Entwicklung des modernen Menschen. Abgesehen von den literarischen, philosophischen und politischen Werken, die auf ihr getippt wurden, wäre ohne sie die Erfindung des Computers nicht möglich gewesen. Und sie war ein wichtiger Schritt für die Frauen auf ihrem Weg in die Unabhängigkeit. Die ersten Maschinen im 19. Jahrhundert konnte nämlich niemand bedienen, also wurden Frauen angelernt, die mitsamt den Geräten in die Firmen kamen und sich erstmals auf komfortable Art ihr Geld verdienen konnten, um auf eigenen Füßen zu stehen.
Rein urkundlich gelten die Amerikaner Christopher Latham Sholes, Samuel Soule und Carlos Glidden als Väter der Schreibmaschine. Sie meldeten 1874 mithilfe der Waffen- und Nähmaschinenfabrik Remington das Patent für ein Modell an, das allerdings nicht besonders ausgereift war. Auf dem amerikanischen Kontinent war man aber aufgeschlossener für technische Erfindungen als etwa in Deutschland oder gar in der österreichischen Monarchie. So waren es auch Kaiser Franz Joseph und sein wissenschaftlicher Stab, die letztendlich verhinderten, dass ein viel ausgefeilterer Geniestreich von hier aus seinen Siegeszug um die Welt antrat.
Zehn Jahre vor den Amerikanern hatte der Tiroler Peter Mitterhofer in Partschins, einem kleinen Dorf in der Nähe von Meran, einen Prototyp gebaut. Noch ganz in Holz aber bereits mit Ideen, die erst Jahrzehnte später zur Entwicklung der modernen Schreibmaschine führten. Es gab 30 Tasten, die Großbuchstaben aus Nadelspitzen auf das Papier druckten, das in einen Rahmen eingespannt war. Allerdings perforierten und zerrissen sie das Papier, also machte sich Peter Mitterhofer an verbesserte Versionen – insgesamt sollten es sechs werden – und ließ den Prototyp irgendwo im Haus verstauben. Erst zu Beginn des 20. Jahrhundert wurde er zufällig von den Erben entdeckt und steht heute als „Modell Wien I“ im Technischen Museum in der Bundeshauptstadt.
Das erstaunliche für Historiker und Wissenschaftler ist bis heute, dass ein einfacher Zimmermann ohne technische Ausbildung, ohne Kenntnisse im Buchdruck, sich an eine solch komplexe Erfindung machte. Im Ort selbst verwunderte das seinerzeit wohl kaum jemanden. Peter Mitterhofer galt als seltsamer Kauz, als Außenseiter mit Spompanadeln im Kopf, von dem man sich aber gerne unterhalten ließ.
„Peter mit der hölzernen Glachter“ riefen sie ihn, weil er sich ein kleines, tragbares Klavier mit Tasten gebaut hatte, dessen Hämmer auf gestimmte Holzplättchen schlugen und sogenannte „lachende Töne“ erzeugten. Eine Art Alpen-Xylophon also. Sogar seine Gitarren und Raffele – eine dreisaitige alpine Urform der Zither – fertigte der geschickte Bursch schon in jungen Jahren an, zum Kaufen hatte er kein Geld.
Mit selbstgedichten Gstanzeln (das eingangs erwähnte wird ihm ebenfalls zugeschrieben), Liedern und als Bauchredner trat Peter Mitterhofer im Vinschgau und im weiteren Tiroler Umfeld auf. Auch auf der Bühne des alten Wirthauses in Bad Egart unweit von Partschins. Drei mineral- und schwefelhaltige Quellen in einer Grotte dienten dort einst den Römern als Bad, die es nach der Nymphe Egeria benannten. Später wurde daraus ein Bauernbadl, dem ungefähr zu Mitterhofers Zeit Kaiserin Sisi einen Besuch abgestattet haben soll. Die Bühne gibt es zwar nicht mehr, wer aber die Gasträume von „Onkel Taa“ betritt, glaubt sich unweigerlich in längst vergangene Zeiten zurück versetzt. In den dicken Mauern aus 1430 hat Karl Platino Raum für seine Sammelleidenschaft von Relikten aus den Zeiten der Monarchie gefunden. Nebenbei züchtet der Universalkünstler Schnecken, die von seiner Tochter Jeanette in der Küche zubereitet werden. Sie gilt als eine der besten Köchinnen Südtirols, die sich auf die zeitgemäße Zubereitung traditioneller Rezepte versteht.
Das Sammeln habe ich vom Vater, sagte Jeanette Platino, die eine ganze Bibliothek alter Kochbücher besitzt, davon das älteste aus 1695. In ihrer Küche stapeln sich Gläser mit Kräutermischungen, Säften, eingelegtem Obst und Gemüse und essbare Blüten, die sie allesamt in ihrem paradiesischen Garten hinterm Haus zieht, an dem die Etsch gemächlich vorbeiplätschert.
Die Etsch ein Stück weiter runter, direkt an der Töller Schleusse, stand einst das Sargschneiderhaus in dem 1822 Peter Mitterhofer geboren wurde. In einer Zeit als der Glanz des Vinschgaus bereits verblasst war, weil die uralte Handelsroute von Süden nicht mehr die Etsch hinauf und über den Reschenpass verlief. Früher wurden hier an der Engstelle üppige Zölle eingenommen, seit dem 15. Jahrhundert wählte man lieber den einfacheren Weg über den Brenner, nach dem ein paar hinderliche Felsen weggesprengt worden waren. Für die Grafen und Freiherren wurde die Gegend immer weniger interessant, heute sind nur noch Fragmente ihrer stolzen Burgen und Ansitze übrig. In den wuchtigen Mauerresten der Stachelburg etwa, dem ehemaligen Sitz der Herren von Partschins mitten im Ort, ist heute ein Hotel untergebracht. Auch Schloss Spauregg in unmittelbarer Nähe strahlt noch mittelalterliche Größe aus, samt verwunschenem Park mit einem 140 Jahre alten Mammutbaum beim Eingang.
Obwohl sich die Intelligenz von Peter Mitterhofer schon im Unterricht gezeigt haben soll, wehrte sich der Vater gegen eine weitere schulische Ausbildung. Er konnte auf die Unterstützung des ältesten seiner neun Kinder nicht verzichten, also bildete er ihn zum Tischler und Zimmermann aus. Mehrmals in seinem Leben ging Peter Mitterhofer auf die Walz und führte ein eher unstetes Leben. Erst mit 40 Jahren heiratete er und wurde in Partschins sesshaft.
Abgesehen davon, dass er sowieso ständig am Tüfteln, Konstruieren und Basteln war, dürften einige seiner Erfindungen sehr persönlichen Umständen geschuldet sein. Seine Frau war jahrelang durch eine Krankheit ans Bett gefesselt. Peter Mitterhofer pflegte sie bis zu ihrem Tode und kümmerte sich aus Geldmangel selbst um den Haushalt. Also baute er sich eine Art hölzerne Waschmaschine, die mit einer Kurbel betrieben wurde. Sie ist im Schreibmaschinenmuseum im ehemaligen Schulhaus ausgestellt, in dem das Erdgeschoss allein Peter Mitterhofer gewidmet ist. Ebenfalls hier zu sehen ist der von ihm konstruierte Radlbeg – eine Art Schubkarren, bei dem man das Rad ausspannen und ihn so zu einer Buckelkraxen umfunktionieren konnte – mit dem er 1866 sein Modell III nach Wien zum Kaiser transportierte. Zu Fuß, 615 Kilometer über Berg und Tal.
Diese Schreibmaschine war bereits aus Metall, man konnte das Papier bequem in einen Rahmen einspannen und mittels eines Gegenhalters war es möglich, die Buchstaben erkennbar auf das Papier zu drucken. Franz Joseph I überließ das Gerät dem Polytechnischen Institut zur Begutachtung, wo man zwar einige Vorteile anerkannte, aber sonst nicht wirklich interessiert war. Man überreichte Peter Mitterhofer großzügige 200 Gulden und schickte ihn samt Apparat, der heute verschollen ist, wieder nach Hause.
Es zählt zu den wesentlichen Charakterzügen von Erfindern, dass sie fest an ihre Idee glauben und nicht so leicht aufgeben. Unermüdlich arbeitete Peter Mitterhofer an weiteren Verbesserungen, bis er eine Schreibmaschine zusammenbaute, die den uns bekannten Klassikern sehr nahe kommt. Das „Wiener Modell 1869“ hatte nicht nur eine Walze sondern bereits 82 Tasten für Ziffern, Groß- und Kleinbuchstaben und Sonderzeichen, alles in den Typen Garamond-Frakturschrift. Wieder packte Peter Mitterhofer seine Radlbeg, wieder marschierte er damit nach Wien, wieder kratzen sich die Experten am Kopf. Vielleicht fragten sie sich auch, ob sie etwas fördern sollten, dass so manchen beamteten Schreibern, den Posten kosten könnte, weil es die Arbeit vereinfachte und mehrere Männer ersetzen konnte. Am Ende kauften man Peter Mitterhofer die Schreibmaschine um 150 Gulden ab, schenkte sie dem Kaiser, der sie verstauben ließ und 1910 ans Technische Museum übergab.
Erst jetzt verlor Peter Mitterhofer sein Interesse. Er verstarb 1893 kinderlos und verarmt, ohne den Erfolg seiner amerikanischen Kollegen mitzubekommen. Fast wäre er in Vergessenheit geraten, hätten sich nicht Südtiroler Wissenschaftler zu Beginn des 20. Jahrhunderts seiner erinnert. Heute ist der Partschinser Zimmermann auch historisch als Großvater der Schreibmaschine anerkannt.


Kasten:
Schreibmaschinenmuseum
Der Meraner Kurt Ryba hat seine einzigartige Sammlung historischer Schreibmaschinen der Gemeinde Partschins zur Verfügung gestellt. Mitten im Zentrum wo einst das Schulhaus stand wurde vor 25 Jahren das Museum eröffnet. Das Erdgeschoss ist Peter Mitterhofer gewidmet, auf den restlichen drei Ebenen sind an die 2.000 Exponate ausgestellt, von einer handbemalten Sholes&Glidden aus 1874, einer Remington 2 (1879), einer Enigma – der deutschen Dechiffriermaschine aus einem U-Boot–, über eine Olivetti M1 (1912) bis zur IBM 72 (1960), die das Ende der mechanischen Schreibmaschinen einläutete.
Kirchplatz 10, 39020 Partschins, schreibmaschinenmuseum.com.

Partschins kompakt
Der mittelalterliche Ortskern ist klein, man braucht maximal 10 Minuten bis man durch ist. Das Wohnhaus aus dem 18. Jahrhundert, in dem der Erfinder gelebt hat, ist in Privatbesitz und kann nur von außen besichtigt werden (Peter-Mitterhofer-Strasse 21). Beim Kirchturm der Pfarrkirche befindet sich das Grabmal von Peter Mitterhofer, das ihm erst später errichtet wurde (Hubenstrasse 1). Vis-a-vis vom Schreibmaschinenmuseum wurde vom Südtiroler Künstler Friedrich Gurschler eine Bronzestatue von Peter Mitterhofer gestaltet. Zur Erholung empfiehlt sich ein Besuch des idyllischen Schlossgartens vom Ansitz Spauregg (Gaudenturmstrasse 20). In mittelalterlichen Mauern übernachten kann man im Hotel „das stachelburg“ (Wasserfallweg 7).

Restaurant Onkel Taa
Im uralten Restaurant, auf dessen Bühne einst auch Peter Mitterhofer als Alleinunterhalter aufgetreten ist, kocht Jeanette Platino hervorragende traditionelle Südtiroler Speisen. Ihr Vater Karl hat das Refigium zu einer Art k.u.k.-Museum gestaltet, im üppig grünen, schattigen Garten läßt sich Zeit und Raum vergessen.

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