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Bad Ischl

Servus Gute Küche 1/2021

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UND EWIG WINKT FRANZ JOSEF

Die Welt hat sich längst weitergedreht, in Bad Ischl aber ist dem Kaiser nicht zu entkommen. Geschenkt. Kulinarisch weht trotzdem ein frischer Wind, der Regionalität und Authentizität geschmackvoll verbindet.

Foto: Christof Wagner

Kann man eine Geschichte über Bad Ischl schreiben, ohne einmal das Wort Kaiser zu verwenden? Vielleicht, aber weit würde man nicht kommen. Selbst in Hrovats Kaffeerösterei, die ihren mit schrägen Etiketten beklebten Mischungen so klingende Namen wie Bemmerl-Kaffee, Schwarzpulver oder Oachkatzlkaffee verpasst, geht es nicht ohne. Natürlich haben wir unsere wertvollste und teuerste Röstung aus hundert Prozent brasilianischen Arabica-Bohnen Kaiserbohne getauft, sagt Barbara Hrovat, während sie zwischen kolumbianischen, keniatischen und indischen Säcken, nach dem erwähnten sucht.
Oben am Plöckenpass, da wo man vom Steirischen runter ins Oberösterreichische kurvt, haben Barbara und Georg Hrovat vor fünf Jahren eine uralte Pferdewechselstation zur Rösterei umgebaut. Seither umweht den idyllischen Platz jedes Wochenende ein Aromagemisch aus Holzfeuer mit gerösteten Kaffeebohnen.

Alles begann damit, dass wir mit unseren heimischen Röstungen unzufrieden waren, sagt Georg, der eigentlich der Apotheker von Bad Ischl ist. Ein Beruf, der ihm bei seiner neuen Leidenschaft sehr entgegenkommt, auch beim Kaffeerösten geht es viel ums Extrahieren und um chemisches Hintergrundwissen. Wir rösten klassisch, mit Buchenholz aus der Gegend, sagt Georg und bringt jetzt seine Röstmaschine auf Touren. Erst vor kurzem wurde sie von einem italienischen Traditionsbetrieb hierher geliefert und die beiden, Georg und der Röstofen, nähern sich gerade an. Holzröstung braucht viel Erfahrung, sagt er und dass die Scheiteln gleich groß und nicht zu nass sein dürfen. Dazu hat jeder Kaffee ein anderes Röstverhalten, da kann man leicht vom Hundertsten ins Tausendste kommen. Aber Georg ist ein Tüftler, einer, der wenn er sich auf etwas einläßt, das Beste rausholen möchte. Deshalb sind Hrovats Kaffeemischungen mittlerweile im ganzen Salzkammergut gefragt, in der Gastronomie genauso wie in Barbaras Laden im Zentrum von Ischl.

Selbstverständlich wird auch oben am Siriuskogl mit bestem Blick auf den Kurort Hrovats Kaffee serviert. Schließlich gilt der Platz als kulinarisches Kleinod an dem Regionalität kein schickes Etikett ist, sondern von Christoph Held bis in die Haarspitzen seiner Rastalocken gelebt wird. 35 Jahre jung ist das Ischler Kindl und würde man nach einer Symbolfigur für das junge Salzkammergut suchen, man könnte gut und gerne auf ihn kommen. Traditionsbewußt, aber mit eigenem Schädel, kreativ, unkonventionell, schlagfertig und mit einem großen Herz ausgestattet.

Schon als kleiner Stöpsel war der Siriuskogl das Ziel seiner Träume, schließlich hat er gleich unten am Fuß der Forststraße gewohnt und da oben war immer was los und es gab etwas zu essen. Auch heute muss man den 20-Minuten-Weg auf sich nehmen, um die Gastwirtschaft bei der hölzernen Kaiser-Franz-Josef-Warte, erbaut 1885, zu besuchen. Es gibt zwar einen stillgelegten Sessellift, aber wenn der wieder geöffnet werden sollte, bin ich weg, sagt Christoph Held entrüstet. Ein Besuch bei ihm soll ja ein sinnliches Erlebnis sein und da gehört ein bisschen Bewegung im Wald einfach dazu.

Die Leidenschaft fürs Kochen hat er von seiner Oma geerbt, einer Almwirtin bei Traunkirchen, trotzdem erlaubte er sich ein paar Umwege. Er war als Techniker mit Hubert von Goisern auf Tour, verdiente gutes Geld als Sänger seiner Reggae-Band bis seine soziale Ader durchbrach und er Altenbetreuer wurde. Mit den Senioren kochen war unheimlich leiwand, sagt Christoph so strahlend, dass es einem warm den Rücken runterrieselt. Doch dann stand plötzlich der Siriuskogl zur Pacht frei und, was soll man sagen, wenn das Schicksal so heftig winkt, muss man dem Ruf folgen.

Christoph überzeugte die Stadtväter mit seinem Konzept für die ganze Familie samt Konzerten, Kabarett, Ausstellungen, dazu ein eigener Kräutergarten, ein paar Esel und Hühner, ein Naturspielplatz und mit einer fantasievollen Küche in der das Salzkammergut authentisch, aber leicht und unbeschwert daher kommt.

Ein Jahr wollte ich bleiben, jetzt sind es schon dreizehn, sagt Christoph, der Spontanität als seine wichtigste Zutat in der Küche beschreibt. Karte gibt es keine, gekocht wird, was ihm und seinem Team in der Früh einfällt. Mit frischen Zutaten natürlich, oder mit selbst Eingelegtem, Fermentiertem und Eingekochtem, im Sommer wird im Garten Weißbier gebraut, das Brot macht der Bäcker nach seinem Rezept.

Mit dem Spagat zwischen Bodenständigkeit und Progressivität hat Christoph Held die 300 Jahre alte Gastwirtschaft zu einem beliebten Ziel gemacht. Und weil er einer ist, der weiß, dass es für die eigene Lebensdynamik gut ist, vom Erfolg etwas an andere abzugeben, packt er einmal im Jahr einen LKW voll mit Lebensmitteln. Dann fährt er mit seinem Team nach Wien und bekocht dort drei Tage lang die Obdachlosen in der Gruft.

In die Koch-Lehre ist Christoph Held einst bei Ernst Siegesleitner gegangen, der damals noch das Weinhaus Attwenger mit seinem riesigen, schattigen Garten am Ischler Traunufer bespielte. Als vor zehn Jahren knapp vor den Toren der Stadt das Traditionshaus Zur Nocken Toni zum Kauf frei stand, ließ der renommierte Koch den Touristentrubel hinter sich und machte sich selbständig.

Es war ganz schön heruntergekommen, sagt Ute, die Frau von Ernst Siegesleitner, während sie uns durch die holzgetäfelte Stube zu einem Foto vom Kaiser hoch zu Ross führt. Er soll es gewesen sein, der dem Wirtshaus seinen heutigen Namen gab. Zimitzbachwildnis hieß die Gaststätte ursprünglich in die der Kaiser nach der Jagd gerne einkehrte, um sich von der Wirtin Antonia Sams ihre berühmten Holzknecht-Nocken servieren zu lassen. Seinem Vorschlag, den Landgasthof in Nocken Toni umzutaufen, konnte und wollte sich wohl niemand widersetzen.

Bevor der gebürtige Innviertler Ernst Siegesleitner vor über 25 Jahren in Ischl landete, stand er in einigen der damals angesehendsten Küchen des Landes am Herd, u.a. im Schloß Fuschl und in der Wiener Villa Moser. Das Kalbsbeuscherl von dort hab ich noch heute auf der Karte, sagt Ernst, der auch gerne
heimische Klassiker neu interpretiert. Mit Fingerspitzengefühl führt er sie in die Moderne, so wird zum Beispiel eine Hommage ans steirische Wurzelfleisch mit einem Saibling aus dem Wolfgangsee serviert. Schritt für Schritt ist es dem Ehepaar gelungen den alten Glanz wieder herzustellen, selbst aus der weiteren Umgebung kommt man hierher, wenn es etwas Besonderes zu zelebrieren gibt.

Wenn seit 189 Jahren der Glanz immer wieder neu poliert und an der Geschichte eines Hauses weitergeschrieben wird, dann ist es eine Institution. Diese wird in Österreich geadelt indem man ein schlichtes die oder der vor den Namen stellt, das reicht. Deshalb geht man in Ischl ganz einfach zum Zauner und nicht in die Kur-, k.u.k- oder sonstwas Konditorei. Ohne den Kaiser wäre sie natürlich nicht so etwas wie ein Wahrzeichen der Stadt geworden. In seinem Sog sommerfrischte hier die Wiener Gesellschaft und die brauchte einen Platz, an dem man angeregt den neuesten Klatsch austauschen konnte. Nichts war genüsslicher als ihn zwischen Torte, Schlagobers und einer Melange auszubreiten.
Das Süße ist immer und überall, sagt Philipp Zauner, ranke und schlanke 26 Jahre jung, der gerade als Siebenter das Staffelholz von seinem Vater Josef übernommen hat. Der Name Zauner wurde zwar in der langen Geschichte manchmal nur durch Adoption weitergereicht, da aber ausschließlich Zuckerbäcker beteiligt waren, setzte sich der Ruhm erfolgreich fort. Seit dem Gründervater Johann Zauner wurde in den Backstuben immer wieder etwas Neues ausgeheckt, das schnell in aller Munde war. Vom Ischler Törtchen bis zum Zaunerstollen gelang es den Konditoren erfolgreich den Geschmack ihrer Zeit zu treffen.
Heute setzt man vermehrt auf Leichtes wie Joghurttörtchen, achtet bei den Zutaten auf Bio und ersetzt zunehmend Zucker durch Honig. An den Klassikern wird aber nicht gerüttelt, sagt Philipp, der beim Salzburger Josef Fingerlos in die Lehre ging. Schon gar nicht am legendären Schratt-Guglhupf aus Germteig. Es heißt zwar gerne, dass die Schauspielerin einst den Kuchen jeden Morgen für ihren Geliebten, den Kaiser, gebacken haben soll. In Wahrheit lieferte der Zauner täglich im Morgengrauen drei Stück davon zur Villa. Nur zur Sicherheit selbstverständlich, falls Katharina Schratt der Teig sitzen bleiben sollte.

Wer den berühmten Zaunerstollen einmal anders genießen möchte, der ist bei Matthias Gasteiger richtig. Seit über zwanzig Jahren widmet er sich auf seinem Hof dem Schnapsbrennen und wird für seine klaren, reinen Obstbrände regelmäßig prämiert. Er hat auch das süße Backwerk eingemaischt und daraus einen Zaunerstollen-Brand gemacht. Meine neueste Leidenschaft gilt aber dem Essig, sagt Matthias und wäre er, der 63-Jährige, dreißig Jahre jünger, würde er sich nur mehr diesem Thema widmen. Es gibt schließlich kaum etwas Gesünderes als Essig.

Wenn einer wie Matthias an die Sache herangeht, kann man sicher sein, dass etwas Edles herauskommt. Nahezu alles hat der gelernte Mechaniker auf seinem Hof selbst gemacht, auch das Brennen hat er sich selbst beigebracht. Jede Birne wird bei ihm händisch entstielt, damit keine Bitterstoffe den Geschmack verderben. Und bei der Elsbeere, sagt Matthias mit verschwörerischem Ton in der Stimme, musst neben dem Fassl schlafen, damit beim Vergären nichts passiert.

Beim Zauner eine Zuckerbäcker-Lehre hat in jungen Jahren Karin Linortner absolviert. Das ist aber nur eine Facette im Leben der aufgeweckten Bio-Bäuerin vom Lippenbauerhof. Ich habe gerne Sachen ausprobiert, sagt Karin, die u.a. am Linzer Konservatorium zur Geigerin ausgebildet wurde. Irgendwann landete sie auf einer Alm im Raurisertal und beim Käsen sprang der Funken über. Seither stellt sie aus der Milch ihrer zwölf Pinzgauer eine Art Tilsiter, einen Weichkäse und Mutschli her, die mit Kräutern und Gewürzen aromatisiert werden. Auch Sauerteigbrot bäckt sie selber, die Würste macht ein Fleischhauer und das alles wird neben Säften, Marmeladen und Chutneys im eigenen Hofladen verkauft. Ein wichtiges Standbein, sagt Karin, denn die Milch ihrer Kühe ist vom Almfutter zwar qualitativ hochwertig, von der Menge aber kann der Hof nicht leben.

Im Sommer stehen die Rinder gemeinsam mit hundert anderen auf der Rettenbachalm, einer Servitutsalm in einem ehemaligen Jagdgebiet des Kaisers. Vielleicht hat er sich ja einmal unter der alten Linde untergestellt, die noch heute den Garten vom Gasthof Rettenbachalm mit ihrem üppigen Blätterdach beschattet und vor Regen schützt. Vor eineinhalb Jahren haben Florian Simmer und seine Partnerin Doris Hauser die ehemalige Jausenstation auf 640 Metern Höhe übernommen. Ich habe mir was Ruhigeres gesucht, sagt der 32-Jährige, der schon in einigen Häusern am Herd stand, u.a. beim Döllerer in Golling oder zuletzt im Bergrestaurant Krippenstein in Obertraun, Ruhiger ist es zwar nicht, sagt er noch und grinst sich eines, aber es macht mehr Spaß. Mit seiner ehrlichen, bodenständigen Küche möchte er den eher mauen Ruf der Gaststätte verbessern. Gekocht wird am Holzherd und das nur mit besten Zutaten aus der Gegend. Den Almochsen, sagt Florian, hab ich wahrscheinlich schon einmal persönlich vom Zaun verscheucht.

Auch abends kann man jetzt hier einkehren, da man über die offene Forststraße bequem mit dem Auto zufahren kann, bei Radfahrern ist der Weg entlang der wildromantischen Klamm sowieso eine beliebte Trainingstrecke. Die freuen sich jetzt vor allem auf eines er besten Backhendln der Gegend, oder auf die Kuchen und Torten, die Doris bäckt.

Es war Klaus Schweiger vom Hotel Goldenen Ochs in Ischl, der mich fürs Kochen begeistert hat, sagt Florian, der eigentlich lieber Tischler werden wollte. Das Traditionshaus direkt an der Traun ist seit über dreißig Jahren in Familienbesitz der Schweigers, wobei Vater Klaus in der Küche steht. Mutter Inge übergibt die Hotel-Agenden gerade an Tochter Verena, die das Ensemble noch mit einer Traunvilla, modern aber im alten Stil, erweitert hat.

Viel verändern wird sich nichts, sagt die 37-Jährige, auch nicht an der gutbürgerlichen Küche vom Papa. Schließlich lebt man hier von den Stammgästen von denen so manche gleich zwei Monate bleiben.
So wie vor über 150 Jahren als Ischl als Non-plus-ultra der Sommerfrische galt und es sich im großen Schatten des Kaisers gut leben ließ. Auch wenn dieser schon ordentlich verblasst ist, ein bisschen Nostalgie ist in Ischl überall drin. In diesem Sinne: der alte Monarch schaffte es zehnmal in diese Geschichte.

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