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Ein Tag Bäuerin

Servus Magazin - Mai 2020

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WEIL ICH MEINE EIGENE HERRIN BIN

Theresia Innerhofer ist Bäuerin mit Leib und Seele. Wir haben sie einen Tag lang auf ihrem Hof im Pinzgauer Hollersbach begleitet.

Foto @ Bernhard Huber

Es ist die Zeit in der gerade einmal die Vögel ihren ersten Piep machen. Die Zeit in der unten im Tal noch die Dunkelheit alle Konturen verschluckt und hoch droben die Gipfel der Dreitausender der Hohen Tauern eine zackige Linie in den nachtblauen Himmel zeichnen. Die Zeit also, in der wir uns gerne noch einmal umdrehen bevor genügend Helligkeit den Tag und uns erwachen läßt.
„Gemmagemma Katrin, eini do“, ruft zu dieser Zeit Theresia Innerhofer, kurz Resi genannt, im hellerleuchteten Stall und bugsiert Milchkuh Katrin sanft auf ihren Platz zum Melken. Es ist 4.50 Uhr und die Bäuerin vom Reiterbauerhof in Hollersbach ist zwar munter, aber noch nicht ganz so wie ihre Kühe. Die drängeln sich ungeduldig hinter einem Gatter um die beste Position, wer als nächstes drankommen darf.
Vier Plätze gibt es, an denen eine nach der anderen mit der Melkmaschine verbunden wird, nachdem Resi zuvor ihre Euter händisch zum Milchgeben aktiviert hat. Die Maschine haben wir uns vor 14 Jahren zugelegt, sagt sie und dass diese Art zu Melken heute fast so altmodisch ist, als würde sie nur mit den Händen melken. Mittlerweile gibt es ja Melk-Roboter um ein paar Hunderttausender, die sich aber so ein Mittelstandsbetrieb wie ihrer nie und nimmer leisten kann. Zirka sechzig Kühe leben auf dem Biohof, etwa zwanzig davon sind Milchkühe, von denen eine im Jahr im Schnitt 7.500 Liter reinste Bio-Laufstallmilch liefert. Außerdem will ich den Kontakt zu meinen Tieren nicht verlieren, sagt Resi noch, während bei Katrin jetzt ein gelbblinkendes Lämpchen signalisiert, dass sie fertig ist.
Wie es Ida, eine zartgebaute Jersey mit sanftem Rehblick, geschafft hat sich gegen die mächtigen, bis zu 800 Kilo schweren Fleckvieh-Damen durchzusetzen, um jetzt an die Reihe zu kommen, ist unsereins schleierhaft. Resi natürlich nicht, die kennt den Charakter jeder Einzelnen sehr genau und weiß, dass Ida ganz schön stur sein kann. Nachdem Ida versorgt ist, krault Resi der danebenstehenden Donna sanft den Rücken, untermalt vom gleichmäßigen, rhythmischen Klopfen der Melkmaschine und dem alten Hadern „Lemon Tree“, den Radio Salzburg durch den Stall schickt. Fröhlich summt Resi mit, der umgeschnallte, einbeinige Melkschemel wippt wie ein Kuhschwanz im Takt und im Stall sind jetzt alle putzmunter.
Donna goutiert die Massage mit genüsslichem Wiegen des Kopfes. Sie ist hochschwanger, ihr Kälbchen wird in den nächsten Tagen erwartet, es wird ihr Neuntes sein. Bis zu 23 Kälber kann eine Kuh im Laufe ihres Lebens austragen, sagt Resi. Ohne Kalb, keine Milch, setzt sie trocken nach und entlässt Donna in den bereits geputzten Laufstall.
Seit 4.30 Uhr ist dort Hans-Jörg Innerhofer, Resis Mann und kurz Hans gerufen, bereits auf den Beinen. Er hat die Gülle entfernt und versorgt jetzt die Tiere mit Futter. Hauptsächlich mit Silage, weil er seit er Fünfzehn ist an einer Lagermilbenallergie leidet und deshalb nur wenig mit trockenem Heu in Berührung kommen darf. Silo ist gar nicht Pfui, sagt Hans, weil ja gerne über das Gärfutter gelästert wird, für das man das Heu feucht einpackt und wie Sauerkraut vergärt. Alles ganz natürlich, das einzige, wofür es noch keine gute Lösung gibt, ist das Plastik in das es eingewickelt werden muss.
Die Tiere auf dem Reiterbauerhof bekommen in ihrer Stallzeit zwischen Oktober und Mai nur Futter von den eigenen Weiden, die mit ihrem Mist gedüngt werden. 500 Kubikmeter Gülle sammelt sich über den Winter in der Grube unterm Stall an.
Da warten wir dann schon sehnsüchtig auf den Frühling, wenn wir die Tiere endlich rauslassen können, sagt Resi und stellt in der Stube Brot, Butter und Honig auf den Tisch. Es ist jetzt 6.05 Uhr, sämtliche Tiere sind versorgt, auch Babystier Burschi, die beiden Ziegen und zwei Ferkel, jetzt wird selbst gefrühstückt. Dazu taucht der älteste Sohn Simon auf, dem der Polster noch leicht im Gesicht steht. Achtzehn Jahre alt ist er und macht eine Lehre als Baumaschinentechniker. Seine jüngeren Brüder Georg, 16, und Florian, 14 ½, sind beide im Internat der Landwirtschaftsschule in Bruck an der Glocknerstraße. Als die noch daheim waren, war es noch stressiger, sagt Resi, weil sie um 6 Uhr den Schulbus erwischen mussten.
Zu mittag kommt der Geri mit, sagt Hans und verabschiedet sich, während draußen das Morgenlicht langsam Almen, Wälder und Talschluchten des Oberpinzgaus erkennen läßt. Hans arbeitet bei seinem Cousin Geri nebenbei als Tischler seit die Innerhofers vor sechs Jahren den 120 Jahre alten Stall erweiterten. Sonst könnten wir uns ja gar nichts mehr leisten, sagt Resi. Bei einem Preis von derzeit 31 Cent für normale und 48 für ihre Bio-Laufstallmilch gibt es kaum noch Milchbauern ohne Nebenerwerb in der Gegend. Und gegen Gästezimmer hat sie sich gewehrt, weil sie als Kind auf ihrem Elternhof drüben in Mittersill immer zu Weihnachten ihr Bett für Touristen räumen musste. Absolut widerwillig. Hörbiger hieß sie als Ledige und irgendwie ist die Familie sehr, sehr weitschichtig mit den Schauspielern verwandt. Aber so genau weiß man das nicht.
Bäuerin war für mich immer eine wünschenswerte Option, gut dass ich einen Bauern geheiratet habe, sagt Resi für die jetzt der geruhsamere Teil des Tages anbricht. 7 Uhr ist es und bis zum nächsten Fixpunkt Mittagessen um 12 Uhr kann sie sich alles so einteilen, wie sie gerade möchte. Klar gibt es viel zu erledigen, sagt sie, aber ich bin meine eigene Herrin.
Das mit dem Bürokram ist etwas einfacher geworden seit es Handys und Internet gibt. Da am Hof auch Bio-Rinder gezüchtet werden, muss bei jedem Tier genau Buch über Milchleistung, Gesundheit, Gewicht, Mutter- und Vaterlinie geführt werden. Dafür gibt es eine App. Auch die Salzburg Milch schickt die Ergebnisse ihrer Milchkontrollen jetzt schon per SMS. Regelmäßig werden Keim- und Zellzahl in der Milch gemessen, ist einer der Werte erhöht, läuten bei Resi die Alarmglocken. Dann muss ich sofort auf Suche gehen, sagt sie. Meist deutet das auf eine Euterentzündung einer Kuh hin, die sie homöopathisch behandelt.
Fünfzehn Jahre lang beschäftigt sie sich bereits intensiv mit dieser Heilmethode, seit ein Sohn damit von seiner Neurodermitis befreit wurde. Das muss auch bei Tieren funktionieren, dachte sie und besorgte sich Unterlagen bei einer deutschen Tierheilpraktikerin. Mittlerweile ist sie so firm, dass manchmal sogar der Tierarzt bei ihr nachfragt. Seit sie ihre Kühe mit Frauenmantel aufs kalben vorbereitet gibt es kaum Probleme bei den Geburten und der Nachwuchs bekommt gleich einmal ein paar Blutwurztropfen als Durchfall-Prophylaxe in die Milch.
Neben dem Studium der Bücher geht’s heute vormittag ans Kochen. Zunächst wird der Topfen, den sie gestern angesetzt hat, geschnitten und in ein Tuch zum Abtropfen umgefüllt. Später wird sie Topfenbällchen in einer Chilimischung, in Zitronenpfeffer und in Knoblauch wälzen und abends zur Jause und dann morgen zum Frühstück mit ihren Schwägerinnen servieren.
Auch Brot wird heute gebacken, nach einem Rezept von der Schwiegermutter, danach fürs Mittagessen das Kraut auf dem Holzherd gedünstet. Kochen mit Holz hast im Gefühl, sagt Resi, das hab ich schon als Kind gelernt. Nidei (gebratene Erdäpfelteignudeln) gibt es heute zum Kraut und alles steht pünktlich auf dem Tisch als Hans, Geri und Simon auf dem Hof eintreffen. Ich kann kochen, sagt Resi, aber ich bin nicht sehr leidenschaftlich.
Was sie allerdings leidenschaftlich macht ist Malen. Und zwar ihre Kühe, die sie bunt und recht expressiv darstellt. Wenn die Männer nach dem Essen abgerauscht sind, nimmt sie sich meist ein wenig Zeit. Dann taucht sie ein ihr eigenes kleines Reich, ein Atelier voller Farben, Pinseln und Leinwänden, das sie sich hinter dem Wohnzimmer eingerichtet hat. Bereits in der Volksschule wurde ihr künstlerisches Talent entdeckt, der Vater schickte sie dann auf die Kunstschule in Elbigenalp im Tiroler Lechtal. Hauptsächlich Skulpturen hat sie dort angefertigt, was später mit dem Hof und drei Kindern nicht mehr möglich war. Diese beschweren sich übrigens heute, dass ihre Mutter mehr Kuh-Fotos auf ihrem Handy hat, als von ihnen. Dabei lassen sich die Buben gar nicht gerne fotografieren, sagt Resi mit amüsiertem Grinsen. Die Kuh-Fotos dienen als Vorlage für die Bilder, die es über eine Galerie in New York bis zur Art Miami geschafft haben. Das war vor zwei Jahren und seither ist man auf ihre „Kuhart“ auch in der Gegend aufmerksam geworden.
Das bisschen Zeit für ihre Kunst kann sie sich aber nur stehlen, weil ihr Schwiegervater untertags immer wieder nach den Tieren schaut. Franz Innerhof hat den Hof seiner Vorfahren vor fünfzig Jahren übernommen und 1995 auf Bio umgestellt. Heute lebt der Achtzigjährige mit seiner Frau in einem Zubau mit eigenem Eingang. Ist besser so, sagt er, die Jungen haben doch ihr eigenes Leben.
Nach einer spontanen Stippvisite eines Viehhändlers und einem kurzen Treffen mit Katharina Maier und Doris Islitzer vom hiesigen Bäuerinnen Kulturverein schnallt sich Resi um 16.15 Uhr wieder den Melkschemel um. Auf geht’s zur zweiten Stallrunde, diesmal alleine, erst gegen Ende kommt Simon nach Hause und ihr zuhilfe. Da macht sich Resi dann gleich wieder in die Küche auf und richtet das Abendessen her, zu dem diesmal auch Georg und Florian heimkommen. Neben selbstgebackenem Brot, Butter und Topfen stehen auch einige Würste auf dem Tisch, die Georg hergestellt hat.
Alle drei haben das Zeug zum Landwirt, sagt Resi mit ein bisschen Stolz in der Stimme, der mehr als nur Mutterliebe signalisiert. Er zeigt auch, dass etwas von ihrer Leidenschaft und Philosophie übergesprungen ist. Warum bist du gerne Bäuerin, haben wir sie heute früh gefragt, als sie glücklich zwischen ihren Tieren herumgesprungen ist. Im Herzen bin ich frei, hat sie gesagt, und nur an meine Kühe gebunden.
20 Uhr ist es jetzt und die Dunkelheit hat wieder die Konturen des Tales verschluckt. Bald werden auch die Lichter am Reiterbauerhof ausgehen. Für ein paar Stunden wird es ruhig sein. Solange bis Katrin, Donna, Ida und all die anderen wieder zum Melkstand und zum Futter drängen.

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