top of page

Josef Ressel

Servus Magazin - März 2023

AT_Kaesemacher_text [P];8_View-1.jpg

AUF DEN SPUREN VON JOSEF RESSEL 29.6.1793-10.10.1897 IN TRIEST

Ein österreichisches Genie

Foto © Bernhard Huber

Wer sich im 19. Jahrhundert für die neuesten Wissenschaften und Techniken interessierte, dem stand die Tür zu einer neuen Welt offen. Wesentliche Errungenschaften, auf denen unser modernes Leben basiert, stammen aus dieser Zeit, wurden nur laufend verbessert, präzisiert und den Anforderungen des heutigen Menschen angepasst. Die Erfinder von damals aber hatten es nicht leicht. Sie galten als verbissene Querulanten, wurden verlacht und erlebten oftmals den Durchbruch ihres Geniestreiches nicht mehr. Die Schiffsschraube zum Beispiel, ohne der sich kein Schiffanakel, kein Ozeandampfer oder Containerschiff, flink durchs Wasser bewegen würde, verdankt die Welt einem österreichischen Forstmeister, dem man Zeit seines Lebens den Erfolg nicht vergönnte.
Mein Ururgroßvater war ein gutmütiger Mensch, sagt Carlo Ressel und führt uns in ein kleines Arbeitszimmer, in dem die Familie neben zahlreichen handschriftlichen Notizen von Josef Ressel alte Zeitungsartikel, Fotos und Bücher aufbewahrt. Der Erfinder selbst hat allerdings nie in diesem Raum gearbeitet. Er hat an dieser Adresse in der Via Fabio Severo lediglich in seinen zehn Triestiner Jahren ab 1821 gewohnt. Als dieses Haus um 1835 errichtet wurde, lebte er bereits in Istrien in Motovun. Carlo Ressels Vater, der wie sein berühmter Ahne ein technisch versierter Ingenieur war, kaufte das Haus Mitte des vorigen Jahrhunderts, das seither als Casa Ressel in der italienischen Hafenstadt bekannt ist.
Mein Vater war sehr um das Andenken Josef Ressels bemüht, sagt Carlo Ressel und dass er selbst wenig Interesse daran hatte. Leider, sagt er noch mit leicht wehmütigem Augenaufschlag, denn heute mit 85 Jahren tut es ihm ein wenig leid, dass er sich nicht intensiver mit der Familiengeschichte beschäftigt hat. Bereits in jungen Jahren zog es ihn hinaus aufs Meer, wo er als Kapitän großer Tankerschiffe mehr oder weniger unbewußt von der Resselschen Erfindung profitierte. Ich bin weder technisch begabt noch ein Genie, sagt Carlo Ressel und muss schmunzeln, weil schließlich jeder, der sich mit der Geschichte seines Vorfahren beschäftigt, diese Erwartung an ihn hat.
Josef Ressels Erfindungsreichtum beschränkte sich nicht nur auf die Schiffsschraube. So konstruierte der rastlose Denker unter anderem einen Dampfwagen, eine Walzmühle und einen Apparat zur Gewinnung von Farbstoffen aus Hölzern sowie eine pneumatische Rohrpost, mit der er den Briefverkehr zwischen Triest und Wien beschleunigen wollte. Diese wurde dann in Wien 18 Jahre nach seinem Tod realisiert.
Er hat vor allem die Physik und die Natur dazu genutzt, Dinge zu verbessern und etwas Effizienteres daraus zu machen, sagt Aldo Rampati, der in Triest als der Ressel-Experte schlechthin gilt. Jahrelang hat er in Eigenregie Unterlagen in ganz Europa zusammengetragen und als Buch veröffentlicht (Josef Ressel – un Leonardo di casa nostra, Edizioni Italo Svevo). Was den Autor dabei am meisten erstaunte: Wie wenig man gerade in Triest, wo die epochale Erfindung erstmals ausprobiert wurde, das Andenken des Erfinders hochhält. Er war Österreicher, na und, wir sind alle Europäer, sagt Aldo Rampati leicht empört, dessen Wurzeln, wie die von Josef Ressel, bis ins heutige Tschechien reichen.
Geboren in Chrudim studierte Josef Ressel gerade einmal vier Semester Naturgeschichte, Chemie, Physik, Mechanik und Hydraulik an der Uni in Wien. Als sein Vater arbeitslos wurde musste er abbrechen und wurde in Mariabrunn zum Förster ausgebildet. Nach Triest kam er mit 27 Jahren als Forstbeamter der österreichischen Marine, um den Karst zu bewalden und den Schiffsbau mit dem nötigen Holz zu versorgen.
Es war ein riesiges Gebiet mit kargem Boden, in dem starke Winde jeder Bepflanzung gegensteuerten. Aber ein Tüftler wie Josef Ressel ließ sich nicht unterkriegen. Er entsann zum Beispiel einen Plan, Wacholdersträucher im Kreis zu setzen und in ihrer Mitte Eichen zu pflanzen, um so Samen und Jungtriebe vor den Böen zu schützen, bis die Bäume stark genug waren. Ein Vorschlag nur von vielen, die seine Vorgesetzten abschätzig belächelten, da sie in ihm nur einen lästigen Störenfried sahen. Statt der stabilen Eichen ließen sie ohne Schutz Schwarzkiefern pflanzen, deren Stämme allerdings zu dünn waren, um gebogene Planken für Schiffsrümpfe daraus zu schneiden. Um keine Idee verlegen, ließ Josef Ressel die jungen Bäume mit Seilen so zusammenbinden, dass die Stämme gleich mit einer passenden, natürlichen Rundung wuchsen. Viele der Wälder hinter Triest und in Istrien tragen noch heute Ressels Handschrift, weshalb man ihm einen eigenen Pfad auf dem Alpe-Adria-Weg gewidmet hat. Der Sentiero Ressel beginnt am Rande von Triest in Basovizza und schlängelt sich über 5 Kilometer durch den Igouza- und Lipizza-Wald über die slowenische Grenze. Wenn man dabei das Nationaldenkmal Foiba di Basovizza passiert, stolpert man gleich dahinter auch über einen Gedenkstein für den Erfinder.
Die Idee zum Schiffsantrieb mit einer Schraube kam ihm als er eine Flasche Wein mit einem Korkenzieher öffnete, sagt Aldo Rampati, den diese Anekdote noch immer sichtlich begeistert. Josef Ressel war gerade erschöpft von einer Dienstreise aus Venedig nach Triest zurückgekehrt. 19 Stunden musste er in einem stinkenden, lauten Schaufelraddampfer über die kurze Strecke schippern. Beim verdienten Schluck danach und dem Blick auf die gedrehte Schraube hatte er seinen Geistesblitz. Die folgende Suche nach Finanzierung eines Experimentes auf See war allerdings mühsam, weder Geschäftsleute noch Reeder ließen sich von seiner Idee überzeugen. Erst 1927 stellten ihm die Kaufleute Julian & Tositi eine abgetakelte Bark zur Verfügung. Die erste Probefahrt auf dem Fluss Neretva, bei der er die Schraube mit einer Handkurbel bediente, war ein voller Erfolg. Jetzt konnte man an eine Jungfernfahrt in der Bucht von Triest denken.
In seinem Überschwang machte Josef Ressel nie ein Geheimnis aus seiner Erfindung. Neben Neidern – vor allem die Briten, die das Monopol auf die Schifffahrt zwischen Triest und Venedig hatten, wollten Konkurrenz verhindern – traten bald Betrüger auf dem Plan. Nach einer Präsentation in Paris wurden Josef Ressel die Zeichnungen und Pläne der Schraube abgeluchst und er musste sich ohne Geld wieder zurück nach Triest durchschlagen. Aber er war ein zäher Kämpfer für seine Idee. Schließlich konnte er über Graf Saura in Wien Staatsgelder für sein Experiment lukrieren, allerdings unter der Bedingung, dass die Dampfmaschine für das Boot in einer unerfahrenen steirischen Fabrik hergestellt wird.
Die Konstruktion der Schraube übernahm der Triestiner Schmied Franz Hermann, das Schiff namens Civetta (=Eule) wurde in der Panifili-Werft gebaut. Wie weit das Meer damals in die Stadt reichte, kann man heute auf der Piazza Unità sehen, wo blaue Lichter im Boden, die einstige Wassergrenze symbolisieren. Ein paar Gassen weiter liegt der Largo Odorico Panifili auf dem jetzt eine evangelische Kirche steht. Hier ging vermutlich die Civetta am 1. Juli 1829 direkt vor der einstigen Werft ins Wasser. Mit 6 Knoten, also ca. 11 kmh, legte sie in wenigen Minuten eine halbe Seemeile zurück, als plötzlich die fehlkonstruierte Dampfmaschine den Geist aufgab.
Für Josef Ressel folgten bittere Jahre der Verleumdung, in denen ihm die offizielle Anerkennung als Erfinder versagt blieb. Mittlerweile beanspruchten andere den Geniestreich für sich, Prozesse ruinierten den Österreicher finanziell. Kurz vor seinem Tod in Ljubljana – er verstarb dort auf einer Dienstreise 1857 entweder an Malaria oder Typhus – schilderte er sämtliche Tragödien rund um die Schiffsschraube in einem Brief an Erzherzog Ferdinand Maximilian, dem späteren Kaiser Maximilian I. von Mexiko, der sich persönlich der Sache annahm. Bereits 1862 wollte er in Triest eine Statue aufstellen lassen, was vom Gemeinderat strikt abgelehnt wurde. Es sollte weitere 160 Jahre dauern, bis Triest am 29. März 2022 den Erfinder mit einem Denkmal ehrte. Dort wo der Canale Grande in die Bucht mündet, steht Josef Ressel nun in Bronze und schaut aufs Meer. Und wäre er noch am Leben, würde er begeistert die Weiterentwicklung seiner epochalen Erfindung beobachten.

bottom of page