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Schloss Miramare

Servus Triest - Juli/2020

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TRAUM UND WIRKLICHKEIT

In Miramare hat Kaiser Maximilian I von Mexiko sein Ideal von einer Parklandschaft umgesetzt. Nach Jahren der Verwahrlosung, kann man schön langsam seinen romantischen Geist wieder spüren.

Foto © Michael Reidinger

Kann etwas weißer sein als weiß? Vielleicht liegt es ja an dieser Kombination von dunkelblauem Meer, hellblauem Himmel und weißem Kalkstein, aber so wie das Schloss Miramare da auf seinem Felsvorsprung westlich von Triest thront, weißer geht’s einfach nicht. Beinahe geblendet muss man dauernd hinschauen, wenn man auf der langen Uferpromande entlang spaziert. Auch weil sich wie bei einem Gemälde von William Turner immer wieder ein neuer Aspekt auftut, obwohl das Schloss selbst statisch in sich ruht. Da zieht ein Sonnenstrahl eine glitzernde Linie durch die Wellen, dort paddelt jemand wie ein Schattenriss im Gegenlicht gefährlich nahe an den Felsen, Vogelschwärme zeichnen grazile Figuren in die Lüfte und die Wolken treiben rund um den markanten Turm ihr abwechslungsreiches Spiel. Blick und Mensch werden schier magisch hineingezogen in dieses Bild, und wenn sich beim Näherkommen noch das Grün des Parks dazu mischt, wird man wohl kaum jemanden finden, der nicht auf der Stelle dem Charme von Miramare erliegt.
Vor allem im Park hat sich Erzherzog Ferdinand Maximilian verwirklicht, sagt Giorgia Ottaviani. Die studierte Gartenarchitektin aus Verona ist seit einem Jahr für den 22 Hektar großen Park zuständig, der sich schön langsam wieder in alter Pracht zeigt. Obwohl jeden Sommer die Touristen das Schloss stürmen, ließ man die Sehenswürdigkeit und das Terrain rundherum jahrelang verwahrlosen. Als immer mehr Abschnitte wegen Gefahr im Verzug gesperrt werden mussten, begannen Besucher und mit ihnen die Triestiner zu protestieren. Abkühlung im Meer gut und schön, aber nirgendwo kann man schließlich besser der Hitze der Stadt entfliehen als in dieser großzügigen Grünanlage, für die die meisten Touristen leider kaum Zeit eingeplant haben.
Hier lustwandeln die Einheimischen gerne in ihrer Mittagspause wie einst der Adel unter verwachsenen Pergolas, hier lassen sich Studenten mit ihren Büchern im Schatten der uralten Bäume nieder. Hier kann jeder kurz einmal auf Entdeckungsreise gehen und seine Ruhe zum Beispiel im Zwiegespräch mit Schildkröten finden, die inmitten versteckter Teiche reglos auf Steinen kleben, als wären sie in Bronze gegossen. So eine Oase kann man nicht verfallen lassen, hatten dann auch die Behörden ein Einsehen und fanden schließlich 2015 eine Lösung für die Finanzierung. Die Renovierung des Gartens ist eine Gratwanderung, sagt Giorgia Ottaviani, wir müssen an jeder einzelnen Stelle entscheiden, ob wir zum ursprünglichen Zustand von Maximilian zurückgehen oder auf den Veränderungen aufbauen, die seit seiner Zeit passiert sind.
Als der Erzherzog 1854 als Oberbefehlshaber der österreichischen Marine nach Triest kam war das Umland der Stadt reinste Karstlandschaft. Doch der jüngere Bruder von Kaiser Franz Joseph I. hatte viele Ideen, einen ausgeprägten Sinn für Schönheit, aber keinen Bezug zu Geld, wie man ihm bis heute nachsagt. Letzteres ist für diese Geschichte egal, da, auch das wird so erzählt, seine Mutter Prinzessin Sophie von Bayern ihm immer aus der Patsche half. Maximilian kaufte alle Grundstücke beim Felsvorsprung zur Bucht von Grignano und beauftragte den Wiener Baumeister Carl Junker mit der Planung einer Residenz. Dem Habsburger erschienen allerdings die ersten Entwürfe nicht großzügig genug, daher kam zwischenzeitlich der Triestiner Architekt Giovanni Berlam ins Spiel. Letztendlich setzte sich dann aber Junker mit einem Schloss im romantischen Historismus durch, bei dem er neugotische Elemente mit mittelalterlichen Formen wie Rundbögen mischte. Das mochte man damals sehr, als Vorbild diente das gerade fertiggebaute Wiener Arsenal von Theophil Hansen.
Auch die Gartenanlage durfte Carl Junker nach den Vorstellungen von Maximilian planen. Der Erzherzog war ein Intellektueller und ein begeisterter Botaniker, sagt Giorgia Ottaviani, er wollte einen Ort der Meditation, wo Natur und Kunst eine harmonische Verbindung eingehen. Er ließ also zwei Naturräume anlegen: in der Nähe des Schlosses einen italienischen Garten, streng geometrisch auf mehreren Terrassen, mit Blumenbeeten, steinernen Treppen und exakt platzierten Springbrunnen und Statuten, als Symbol der Dominanz des Menschen über die Natur. Den weitaus größeren Teil bildet ein englischer Park, weitläufig bewaldet und obwohl künstlich errichtet scheinbar die reinste Naturidylle.
Um dem karstigen Boden überhaupt Leben zu entlocken, wurden Unmengen an Erde aus Kärnten und der Steiermark herangekarrt und der königliche Hofgärtner Josef Laube von Laxenburg nach Triest abkommandiert. Maximilian hat in dieser Gartenanlage auch so etwas wie einen biologischen Auftrag gesehen, sagt Giorgia Ottaviani. Hier, wo von Natur aus nichts wuchs, wollte er exotische Pflanzen aus aller Welt zusammentragen und für die Nachwelt erhalten. Josef Laube begann zunächst mit Orangen- und Zitronenbäumen aus Sizilien und Portugal, die aber bereits den ersten rauen Triestiner Winter samt Bora nicht überlebten.
Zu dieser Zeit also 1857 war der Erzherzog bereits mit der Fregatte „Novarra“ auf zweijähriger Weltumsegelung, einer streng wissenschaftlichen Expedition wie man das im Nachhinein den Menschen Glauben machte. Eine Version, die erstmals eineinhalb Jahrhunderte später die beiden Journalisten David G. L. Weiss und Gerd Schilddorfer in ihrem Bestseller „Die Novarra: Österreichs Traum von der Weltmacht“ (Amalthea) anzweifelten. Laut ihren Recherchen war das eigentliche Ziel der Schiffsfahrt, die Habsburger-Monarchie als Kolonialmacht in Ostasien zu etablieren. Nachdem das grandios gescheitert war stellte man den ursprünglich nebensächlichen botanischen Zweck in den Vordergrund.
Mit an Bord der Novarra war damals der böhmische Gärtner Anton Jelinek mit dem Auftrag Samen und Pflanzen einzusammeln. Nach der Landung in Triest folgte er dem eher glücklosen Josef Laube als Gärtner von Miramare nach und pflanzte nach Maximilians Wünschen die exotischen Mitbringseln an. Selbst aus Mexiko, wo er 1864 zum Kaiser gekrönt und drei Jahre später erschossen wurde, ließ Maximilian noch detaillierte Anweisungen an Anton Jelinek schicken. In dieser Zeit ausgepflanzt wurden die drei ältesten Bäume im Park, eine Trigeminus-Eiche, eine Eibe und eine kaukasische Tanne. Der obere Waldteil ist bis heute eine wohldurchdachte Mischung aus einheimischen Hainbuchen, Steineichen und Stechpalmen mit exotischen Kiefern, Monterey-Zypressen, atlantischen und libanesische Zedern. Sogar ein kalifornischer Mammutbaum, ein chinesischer Ginkgo und eine Araucaria aus den Anden lassen sich entdecken.
In der Zeit von Maximilian waren auch die Beete im italienischen Garten hauptsächlich mit exotischen Pflanzen bestückt. Und hier standen überall Yuccas, Palmen und grüne Büsche, sagt Giorgia Ottaviani und zeigt auf die große Fläche vor einem kleinen Gartenhäuschen in dem heute ein Kaffeehaus untergebracht ist. Da das Grünzeug damals recht hoch war, ließ man auch die Statuen aus Zinkguss auf hohe Sockeln stellen, damit sie die Natur überragen. Heute stechen sie etwas überdimensioniert in den Himmel, da rundum nur niedrige Blumen am Boden ein Muster zeichnen.
Nach dem I. Weltkrieg ging mit Triest auch Miramare in den Besitz des italienischen Staates über und 1929 wurde das Schloss erstmals für Besucher geöffnet. Das blieb auch so als 1932 mit Amadeus von Savoyen ein Spross der italienischen Königsfamilie die Gemächer im ersten Stock bezog. Der Herzog, sagt Giorgia Ottaviani, hatte eine komplett andere Philosophie was den Garten betrifft. Er krempelte vor allem den italienischen Garten um, ließ das üppige Grün entfernen und adrette, flache Beete anlegen. Das einst ausgeklügelte System von verschiedenen Räumen, vielfältigen Farben und spannenden Blickwinkeln wurden dem Gefühl der ebenen Weite geopfert.
Der Park war übrigens schon unter Maximilians Zeiten für alle geöffnet, was vor allem Anton Jelinek missfiel. Er notierte in seinen Tagebüchern, dass das Volk wenig wohlerzogen durchs Gelände stürmt und überall seinen Mist liegen lässt. Während ihm damals eine ganze Mannschaft bei der Parkpflege zur Seite stand, versucht heute Giorgia Ottaviani mit vier Gärtner ein etwas von Maximilians Vision in die Gegenwart zu retten. Wer sich auf einen Entdeckungsspaziergang einlässt kann ein bisschen was davon schon spüren.

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