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Nicholas Ofczarek

Seitenblicke Magazin - 2014
WO WOLLEN SIE NOCH HIN, NICHOLAS OFCZAREK?

„9 Uhr, Cafe Maria Treu “, so haben wir das Interview per SMS ausgemacht. Es ist Sommer in Wien, die Stadt ist leer und um diese Zeit bewegen sich lediglich ein paar Bauarbeiter rund um eine Baustelle in der Piaristengasse.

Auch im Cafe ist es einsam und ruhig. Auftritt Nicholas Ofczarek: Dynamisch, heiter, so wie man ihn von Film und TV kennt. Und raumfüllend, so dass die Szenerie im Cafe sofort zum Leben erwacht. Vielleicht wirkt der Schauspieler eine Nuance vorsichtiger in der Bewegung, auch ein bißchen nachdenklicher als gewohnt. Neinnein, im Raucher will er nicht sitzen. Zigaretten und er, das ist eine lange, eine bekannte Geschichte und die Frage, ob er grad raucht, will er bitte nicht hören. Also bestellen wir Kaffee und ein Buttersemmerl für ihn. Butter und Semmerl getrennt, denn schmieren möchte er sich das bitte schon noch selber.  

   

 

Als wir uns vor vier Jahren hier getroffen haben, war gerade bekannt, dass Sie bei den Salzburger Festspielen den Jedermann spielen werden. Damals haben Sie gesagt, dass Sie dann nie wieder unerkannt bei Rot über die Ampel gehen können. War das so?

 

In Salzburg vielleicht, sonst nicht. Jetzt nach Braunschlag und Bösterreich tu ich mir schwerer. Durchs Fernsehen wird man bekannter.

Haben Sie nach Braunschlag gedacht, dass die Leute jetzt Ihren Namen richtig schreiben können?

 

Die meisten Leute sagen ihn nur: Ooftschaaarek. Es ist mir egal, ob  man ihn mit „tsch“ oder mit „tss“ ausspricht. (Bin gespannt, wie Sie das dann schreiben.)

 

Es ist ein langer, harter Weg als Schauspieler bekannt zu werden. Wenn man es dann ist, erhöht sich der Druck?

 

Es war nie mein primäres Ziel bekannt zu werden. Das geht zwar mit dem Beruf einher, ist aber nur eine Zeiterscheinung. Ich kenne Schauspieler, die waren als ich noch jünger war, bekannte und große Schauspieler. Wenn du heute einen Zwanzigjährigen fragst, kennt er sie gar nicht mehr.

 

Fühlt man sich nicht abgesicherter?

Da der Bekanntheitsgrad kurzlebig ist, sichert das gar nichts. Es gibt die Tendenz unter Schauspielern sich als Marke zu pflegen, wobei es mir die Haare aufstellt. Ich versuche lieber, meinen Beruf solide und gut zu machen. Der Druck ist groß genug. Nicht wegen der Bekanntheit, sondern wegen des Anspruchs an sich selbst. Wohin will ich mich als Mensch, als Schauspieler entwickeln?

 

Und wo wollen Sie noch hin?

Im Moment ändert sich gerade etwas, ohne dass ich mir das vornehme. Wir leben in einer wahnsinnig schnellen Zeit, egal in welchem Beruf. Es verbrennt alles. Es verbrennt mich und es verbrennt die Kunst. Es entsteht nichts. Es wird alles nur noch funktional abgearbeitet, daher trete ich jetzt ein bisschen auf die Bremse.

 

Das kann ich mir bei Ihnen gar nicht vorstellen.

Ich weiß (lacht), aber ich habe das zumindest vor. Jetzt bin ich über 40 und schön langsam reicht es. Die Freude an dem, was man tut leidet, wenn man nicht ausgiebig Zeit dafür hat.

 

Gilt das nur fürs Drehen oder auch für die Bühne?

Für meine Arbeit im allgemeinen. Ich habe immer geschaut, dass ich viel Unterschiedliches mache, da ich mich dann frei fühlte. Ich bin aber drauf gekommen, dass es mich bedrängt hat, da es zu viel war. Auch die Angst, es könnte vorbei sein, hat mich bedrängt. Momentan weiß ich gar nicht, was ich nächstes Jahr mache. Ich habe alles abgesagt, es wird sich schon etwas ergeben, oder auch nicht.

 

Es ist aber eine andere Qualität, wenn man es sich leisten kann Sachen abzusagen.

 

Ich weiß nicht, ob sich das nicht nur im Gehirn abspielt. Es gibt Menschen, die sagen: Ich kann mir jetzt ein Nein nicht leisten und muss daher etwas machen, was mir widerspricht. Und dann gibt es die, die machen das halt nicht. Ich bewundere das, denn die fahren auch gut. Ich habe auch Sachen gemacht, die ich nicht machen wollte, da ich Familie habe. Man muss ja Miete zahlen. Aber ich will im Moment gar nichts. Man könnte sagen, dass ich wirklich viel gemacht habe und jetzt müde bin.

 

Sind Sie ausgebrannt?

Nein, ich will nur im Moment mehr leben. Ich habe überhaupt nicht mehr gelebt, nur noch gearbeitet. Jeden Tag. Da fragt man sich dann: wofür?

 

Sie sind bekannt dafür, dass Sie sich am wohlsten im direkten Kontakt mit dem Publikum fühlen. Fehlt Ihnen das beim Drehen nicht?

 

Man geht davon aus, dass die Belohnung der Applaus ist und das stimmt auch irgendwie. Man verbringt aber die meiste Zeit nicht auf der Bühne, sondern im Probenraum und ist mit Menschen zusammen. Meine größte Belohnung ist, wenn ich mit ihnen etwas erlebe und mit ihnen draußen bin, weil eine Zwischenmenschliche Interaktion stattfindet. Wenn niemand da ist, bin ich verloren. Ich brauche die Anwesenheit von Menschen, nicht die Anwesenheit von Lob.

 

Können Sie sich daran erinnern, als Sie Robert Palfrader zum ersten Mal gesehen haben?

 

Es war eine indirekte Begegnung. Ich bin in einem Kaffeehaus an ihm vorbeigegangen und wir haben uns kurz die Hand gegeben.

 

War da gleich Sympathie?

 

Sympathie und Respekt. Wir haben uns dann noch einmal bei einer Weinverkostung gesehen. Nach dem Händeschütteln gab es ein strenges Abmessen.

 

Ihr habt ja auch beide einen Schmäh. Schaukelt ihr euch gegenseitig auf?

 

Dazu sind wir durchaus in der Lage. Aber wir können auch ganz ruhig miteinander zu reden, also nicht pubertär in der Gegend herum grölen, was wir auch tun. Und wir können streiten, was ja etwas Gutes ist.

 

Wurde Bösterreich so schnell-schnell-schnell gedreht?

 

Zehn Folgen in 35 Tagen. Wir haben manchmal sogar zehn Minuten Film pro Tag gedreht. Bei Kinofilmen werden vielleicht zwei Minuten am Tag gedreht. Das war sehr anstrengend, da war dann aber auch Zeit zum Aufschaukeln. Wenn man Komödien dreht ist es oft nicht so lustig, weil man die Ernsthaftigkeit oder den Zorn als Ausgleich braucht. Wenn man Dramen dreht, habe ich es meistens lustig. Je schlimmer, desto lustiger.

 

Bei welchen zum Beispiel?

Bei dem Polizeifilmen „Unter Feinden“ mit Fritz Karl. Jetzt haben wir den zweiten Teil gedreht, der eigentlich davor spielt. Wir hatten eine Riesenhetz, es ist ja sonst nicht zu ertragen. In dieser wirklich schönen Stadt Hamburg, wo wir in den wirklich schlimmsten Ecken drehen. Wenn es Nacht ist und es kalt ist und es schrecklich ist. Man muss Menschen überfahren und herumschießen. Da kann man sich nur in den Humor retten.

 

Ist man besser, wenn man mit befreundeten Schauspielern arbeitet?

 

Ich bin nicht mit vielen Schauspielern richtig befreundet. Also kollegial befreundet schon. Man ist freier, wenn man sich kennt. Aber ich hatte es auch schon, dass ich einen Menschen gar nicht kenne und mich mit ihm auf Anhieb gut verstehe. Das ist Zufall oder Glück. Letztlich kann man die guten Freunde an einer Hand abzählen, mit dem Alter vielleicht an beiden Händen.

 

Mit welchem Schauspieler sind Sie richtig befreundet?

 

Mit zweien, die ich seit der Schauspielschule kenne. Einer ist Sascha Oskar Weis, der in Salzburg am Landestheater spielt. Ihn kenne ich seit 25 Jahren. Der andere ist Jürgen Maurer (Anm: Burgschauspieler und das neueste Herrl vom Rex).

 

Nachdem an der Burg Stücke eingespart wurden, werden wir Sie in der nächsten Saison auf der Bühne sehen?

 

Ich weiß von der Premiere „Die Affäre Rue de Lourcine“ von Eugène Labiche, ich glaube im April. Ansonsten spiele ich mein Repertoire weiter. Onkel Wanja, Was ihr wollt, Professor Bernhardi, Liliom...

 

Wie oft kann man ein Stück spielen, bis es einem langweilig wird?

 

Mir geht es sehr schnell auf die Nerven. Ab der 10. Vorstellung ist man gut eingespielt, nach einem Jahr hat man circa 20 Mal gespielt, da denke ich mir schon: Jetzt ist langsam genug. Man ist ja als Mensch schon ein Jahr weiter, macht aber immer noch das, was man sich seinerzeit erarbeitet hat.

 

Sie sagten einmal, Sie sind Genussmensch, aber manchmal auch ein Disziplinierter. Wenn Sie jetzt Richtung Entschleunigung gehen, ist der Genussmensch gerade der Stärkere?

 

Das habe ich zwar gesagt, aber ich weiß immer noch nicht genau wer ich bin. Wenn man Genuss nicht als Völlerei sieht, sondern darin, Dinge zu genießen und zwar nicht im Übermaß, dann genieße ich jetzt ein bisschen die Stille und die Ruhe fernab von der Überforderung und der Überfrachtung. Diese Stille finde ich in der Stadt.

 

Wo? In Bibliotheken? In Museen?

 

Museum ist toll, da komme ich erst jetzt drauf. Es tut gut, lange vor einem Bild zu sitzen und es zu betrachten. Das kann was.

 

Welche Bilder ziehen Sie besonders an?

 

Ich mag es, wenn sie Tiefe haben. Wenn man sich zum Beispiel nur die gemalten Augen anschaut und sie trotzdem etwas erzählen. Ich frage mich dann: Ist das Zufall? Hat er die Augen so geplant? Dieser Blick? Manchmal frage ich mich, warum mich etwas anspricht, ob es mich in zwei Jahren auch noch ansprechen wird. Oder ob es etwas mit der gegenwärtigen Verfassung zu tun hat und ein Spiegel von etwas ist.

 

Machen Sie noch Taekwondo als Ausgleich?

 

Ich fange wieder an, meine Frau hat schon wieder begonnen. Ich muss mich aber noch um meinen Rücken kümmern. Wenn der im Herbst in Ordnung ist, trainiere ich wieder.

 

Die Bandscheiben?

 

Der Klassiker.

 

Na wenn man sich körperlich auf der Bühne so veräußert! Und Taekwondo ist da gut?

 

Es ist eine super Sportart, die den ganzen Körper trainiert. Meine Tochter hat zwar auch aufgehört, aber vielleicht fängt sie wieder an.

 

Wird Ihre Tochter ebenfalls Schauspielerin? Gründet ihr eine Dynastie?

 

Ich finde, dass sie sehr talentiert ist. Das sage ich jetzt nicht, weil ich ihr Vater bin. Sie malt seit sie 15 ist, sie singt sehr toll, das Künstlerische wohnt ihr inne. Sie hat aber noch nie gesagt, dass sie Schauspielerin werden will. Ich habe das von mir auch nie gesagt, ich bin es einfach geworden.

 

Haben Sie nie andere Jobs gehabt?

 

Nein. Ich bin mit 18 an die Schauspielschule, mit 21 war ich fertig. Ich war einmal einen halben Tag lang Kellner bei der Eröffnung eines Lokals von einem Freund meines Vaters. Ich fand es furchtbar.

 

Das war Ihr einziger Nebenjob?

 

Ich habe schon während meiner Ausbildung als Schauspieler gearbeitet. Ich habe nie etwas anderes gemacht – furchtbar eigentlich. Es wäre schon gut wenn man eine Alternative hätte. Aber man kann ja immer noch lernen.

 

Was würden Sie denn gerne noch lernen?

 

Mich hat es immer fasziniert mit den Händen zu arbeiten, als Masseur zum Beispiel. Auch Körpertherapien interessieren mich, da habe ich schon Kurse besucht. Aber tatsächlich habe ich noch nichts anderes gearbeitet. Innerhalb meines Metiers habe ich jedoch das Verschiedenstes gemacht: Regie, Theater, Film, Fernsehen, Hörfunk, Synchronisation, Moderation und Konzerte.

 

Was davon machen Sie am liebsten?

 

Mich quält am meisten das Theaterspielen, das geht an meine Substanz. In diesem Beruf ist es mit über 40 Jahren langsam komisch, immer andere Menschen zu spielen. Es ist ein komisch kindischer Beruf, muss ich sagen.

 

Wie meinen Sie das?

 

Kein Kind hat immer Lust zu spielen, oder? Und ich habe auch nicht immer Lust auf Kommando zu spielen.

 

Höre ich ein leises Hadern an Ihrem Beruf heraus?

 

Nein, es gehört dazu, dass man sich als Schauspieler manchmal in Frage stellt, um sich weiter zu entwickeln. Selbst ein Sportler fragt sich manchmal was er noch tun kann oder ob ihn das überhaupt noch interessiert.

 

Wie könnte so eine Weiterentwicklung aussehen?

 

Planen kann man sowieso nichts. Aber ich imaginiere mir zumindest eine Möglichkeit, was ich will. Was ich nicht will, weiß ich. Was ich will kann ich noch nicht so gut formulieren, aber man hat schon einen Geruch von einer Möglichkeit. Meistens wird dann eh alles anders. Eigentlich gehe ich dahin zurück, wo ich angefangen habe. Am Anfang seiner Karriere macht man weniger, weil einem niemand kennt und man dadurch weniger Angebote bekommt. Da hat man mehr Zeit, um sich vorzubereiten. Dann hat das Ganze eine Aura und ist besonderer. Da will ich wieder hin.

 

Das stell ich mir schwierig vor mit den vielen Erfahrungen, die man wie einen Rucksack auf dem Buckel trägt.

 

Natürlich, man weiß was alles schief gehen kann. Was mir aber wirklich Spaß macht, ist unterrichten. Es ist toll, etwas weiter zu geben. Es schärft auch die eigenen Sinne. Ich merke, dass ich durch dieses theoretische analysieren von Szenen anders Theater spiele. Wie ein Skifahrer, der einen neuen Ski hat. Du musst die physiologischen Vorgänge im Körper ein bisschen ändern, bis sie ins Unterbewusstsein eingedrungen sind. Man fährt immer noch Ski, aber es ist ein bisschen anders. Durch das Unterrichten geht man beim Schauspielen noch mehr ins Detail...

 

…ohne dass man darüber Nachdenken muss.

 

Es ist wie beim Gehen. Am Anfang stolpert man noch, durch Übung wird es unbewusst und irgendwann geht man einfach.

 

Ihre Frau Tamara Metelka ist ja ab Herbst die Direktorin am Reinhardt-Seminar, also dort wo Sie unterrichten.

 

Genau, ich bin dann die „First Lady“.

 

Ist das ein Thema bei euch zu Hause, dass sie dann Ihre Chefin ist?

 

Das ist sie ja sowieso, da ändert sich nicht viel.

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