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PORTRÄTS
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Servus Magazin - August 2011
Blaudrucker
FAMIELIE KOÓ MACHT BLAU
Blaudruck-Stoffe waren früher am Land gang und gäbe. Mit Aussterben des Berufes verschwanden auch die typischen Kopftücher und Schürzen. Nur ein kleiner Betrieb im Burgenland pflegt noch die alte Tradition.
Fotos © Stefan Knittel
Natürlich würde sich die Frage nach der Lieblingsfarbe erübrigen. Wir stellen sie trotzdem, man weiß ja nie, es könnte doch eine Überraschung geben. Natürlich ist es dann keine. Denn Blaudrucker Josef Koó, seine Lebenspartnerin Miriam und der gemeinsame zweijähriger Sohn Jan-Joseph stehen nicht nur – abgesehen von ein paar weißen Einsprengslern – blaugekleidet vor uns, sie haben auch alle drei blaue Augen. So als wäre die Farbe, in der heute selbst der burgenländische Himmel strahlt, einfach ihre Bestimmung.
Und dazu streckt uns Herr Koó auch noch blaugefärbte Handflächen zur Begrüßung freundlich entgegen. „Keine Angst“, sagt er, „das ist alles ganz natürlich und färbt nur ab, wenn’s nass ist.“ Mitten in der Arbeit sei er gerade, sagt er noch, und da sei es müßig, sich vor getanem Werk die Farbe abzuschrubben. Das ginge auch wieder ganz raus und wir sollen bitteschön jetzt nicht glauben, er würde dermaßen gekennzeichnet außerhalb seiner Werkstatt herumlaufen.
Seit drei Generationen gibt es den kleinen Betrieb in Steinbach und er ist einer der letzten in Europa, in der in jahrhundertealter Tradition Stoffe mit Indigo blau bedruckt werden. Wobei Blaudruck eigentlich irreführend als Bezeichnung ist. Es wird nämlich nicht, wie beim herkömmlichen Stoffdruck, das Muster mit Modeln auf einen Stoff gedruckt. Es ist vielmehr eine Art Negativ-Verfahren, in der Fachsprache Reservedruck genannt, bei der das Muster ausgespart und der ursprünglich weiße Stoff blau gefärbt wird.
Und weil die Koós die einzigen sind, die dieses Verfahren auch im Doppeldruck noch anwenden – also unterschiedliche Muster auf der Vorder- und Rückseite – müssen wir jetzt schnell auf die Wiese hinters Haus. Es kommt nämlich böiger Wind auf und der könnte die frisch gestärkten weißen Stoffbahnen, die dort zum Trocknen hängen mit Pflanzen- oder sonstigem Staub verunreinigen. Während für den einfachen Blaudruck Naturfasern wie Baumwolle, Leinen oder Seide nur ausgekocht und dann gleich verarbeitet werden, müssen sie für den Doppeldruck vorher mit Kartoffelstärke behandelt werden. Bleibt da was drauf kleben, wird später die Farbe nicht gut aufgenommen.
„Kleine Fehler sind charmant“, sagt Josef Koó, „größere schlecht“ – und schleppt dabei einen Holzkarren, den schon sein Großvater anno 1921 benutzt hat, ins Gelände. Vollkommen eingespielt – einer hebt hinten an, der andere zieht vorne – falten Miriam und Josef jetzt die 25 Meter langen Stoffbahnen zusammen und karren sie in die Bügelkammer. Dort werden sie von Mama Koó für den Druck vorbereitet. Mit einer Bügelmaschine, die das einzige neumodische Gerät im Betrieb ist. Das sei ein bissel wie Strafarbeit, sagt Mama Koó, während sie die endlos langen Stoffbahnen durchschiebt. Sie meint das aber nicht so, sie ärgert sich nur, dass sich immer irgendwo ein kleines Fältchen reinschmuggelt.
Gleich daneben ist das Reich von Miriam, hier werden die noch weißen Stoffe zunächst einmal bemustert. Mit Modeln die schon 200 Jahre auf dem Buckel haben. Je älter sie sind, umso schwieriger sei das Drucken, sagt Miriam. Da müsse man zusätzlich jedes Mal kräftig drauf klopfen, „und auf’d Nacht tun dir die Händ‘ ganz schön weh.“
Immer wieder gehe auch bei den klassischen Mustern wie etwa beim „streng G’streiften“ oder dem „Zweier-Blümchen“ was kaputt und das könne kaum mehr jemand reparieren. Die Koós aber kennen einen alten Herren aus Thüringen. Der kommt einmal im Jahr auf Urlaub hierher und restauriert dabei gleich die alten Modeln.
Der hellgrüne Papp in den diese getaucht werden ist Familiengeheimnis Nummer 1. Von ihm hängt die Brillanz der später weißen Muster ab. Er muss so dicht sein, dass er beim Färben die blaue Farbe nicht durch lässt, er darf aber auch nicht zu kompakt sein, damit man ihn danach heiß auswaschen kann. „Er wird aus Gummi Arabicum, Tonerde, Wasser und Farbpigmenten gemischt“, sagt Josef Koó, mehr wird aber nicht verraten. Es gibt auch keine schriftlichen Aufzeichnungen und er selbst habe die Formel von seinem Vater bekommen, nach dessen Tod vor fünf Jahren er den Betrieb übernommen hat.
Bis zu vier Wochen müssen die Muster jetzt trocknen bevor Josef Koó endlich blau machen kann. Dafür spannt er die Stoffbahnen in uralte Sternräder mit 82 Zentimeter Breite. „Es gibt heute nur mehr wenige alte Webstühle“, sagt Koó ein bisschen wehmütig, „auf denen Stoffe mit diesem Spezialmaß gefertigt werden können.“ Aber nichts hält ewig und er könne nur hoffen, dass die Relikte aus der Vorindustriellen Ära noch lange halten. Leinen bekommt Koó übrigens aus einer Waldviertler Manufaktur, Baumwolle muss er sich aus Deutschland liefern lassen.
Und der Naturfarbstoff Indigo kommt, so wie im 17. Jahrhundert als der Blaudruck in Europa seine Hochblüte erlebte, aus Indien. Geschätzte 20 Kilo braucht er davon pro Jahr für seine ebenfalls über den Daumen gepeilten 1.500 Meter blau bedruckten Stoffe. Die genaue Mischung von Indigo, Wasser und Kalk ist Familiengeheimnis Nummer 2. Nur soviel darf gesagt werden: es gibt eine Grundküpe – eine Art Steinbottich – in der Indigo für ein ganzes Leben angesetzt ist. Daraus wird bei Bedarf geschöpft und wieder mit einer Indigo-Mixtur versetzt.
„Indigofärben ist einfach“, sagt Josef Koó, „wenn man das Rezept weiß.“ Dabei lacht er verschmitzt und versenkt das Sternrad zum ersten Mal in einer Küpe. 10 Minuten muss der Stoff da drinnen lagern und weil der alte Wecker grad kaputt ist, aktiviert Herr Koó die Stoppfunktion auf seinem Handy.
Das Farbenspiel beim ersten Auftauchen kann selbst einen abgebrühten Blaudrucker wie Herrn Koó immer noch verzücken. Zunächst gelb, dann grün verwandelt sich der Stoff vor unseren Augen dank Sauerstoff in sattes Blau, nur das Muster zeichnet sich hell ab. Jetzt bleibt der Stoff 10 Minuten an der Luft bevor er wieder in die Küpe kommt. Das ganze wird bis zu zehn Mal wiederholt.
Anschließend wird aus dem Stoff die Pappe in einem mit Holz befeuerten Bottich heiß ausgewaschen, bevor er im Hof im Brunnen kräftig mit Kaltwasser durchschleudert wird. Mit einem handbetriebenen Holzrad, selbstverständlich, denn Familie Koó legt Wert darauf, dass der Charakter der alten Werkstätte aus den 1920er Jahren erhalten bleibt.
Und leise ist es außerdem. Kein Maschinenlärm hat das gesamte Prozedere unterbrochen und der kleine Jan-Joseph konnte friedlich in seinem Kinderwagen schlummern. Goldene Wasserhähne könne man sich keine verdienen, sagt Josef Koó, während er in der Sonne die nächsten zehn Minuten zum Küpe-Eintauchen verstreichen lässt. Aber es interessieren sich jetzt, wieder mehr Menschen, für die Stoffe, die einst nur die einfachen Bauern verwendet haben. Vielleicht weil Miriam und Josef mit viel Feinsinn an die Arbeit gehen. Vielleicht aber auch, weil sie sanft neue Wege beschreiten und sogar Lederschuhe und Jeans mit ihren Blaudrucken verzieren. Vielleicht jedoch, weil Blau ganz einfach eine schöne Farbe ist.