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Servus Magazin - Oktober 2011

David Wagner Pfeifenmacher

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HERR WAGNER UND DER RAUCH DES LEBENS

Was passiert, wenn ein Informatiker einmal etwas mit seinen Händen tun möchte und dabei auf Holz stößt. Die Geschichte von David Wagner, der auszog, um die Herausforderung zu suchen und dabei seine Berufung fand.

Foto © Philipp Horak

Sie ist klein, geradezu winzig, die Werkstatt von David Wagner in der Nähe des Traunsees. Und sie ist voll, geradezu angerammelt, nicht nur mit sämtlichen Utensilien, Werkzeugen und Apparaturen die man zum Pfeifenschneiden braucht. Mittendrin in diesem Stillleben der Handwerkskunst ziert eine Weltkarte den letzten Flecken freier Wand, lümmelt eine Flasche Whiskey mit einer Flasche Rum aus Kuba am Arbeitstisch und hängt ein Druck von Eduard Munchs „Tanz des Lebens“ unter einem windschiefen Regal. Filigran flattert das Gemälde im dezenten Luftzug und macht auf sich aufmerksam. Es sei sein Lieblingsbild, sagt David Wagner, weil es für ihn irgendwie sein Leben symbolisiere. Nur nicht Erstarren, so wie das Paar und die beiden Damen im Vordergrund. Besser sich lustvoll bewegen, wie die Tanzenden im Hintergrund, selbst wenn man sich auf unbekanntes Terrain wagt.
Mut, Leidenschaft, Neugier und eine große Portion Blauäugigkeit sind es denn auch, die den geborenen Ohlsdorfer dort hin gebracht haben, wo er heute zur Elite zählt. Er gehört weltweit zu den zwanzig Besten in der Liga der 150 anerkannten Pfeifenmacher und er ist der einzige der sich auf Maßanfertigungen spezialisiert hat.
Wie er so dasteht in seiner blauen Arbeitslatzhose, fest mit beiden Beinen am Boden und genussvoll den Rauch einzieht, weiß man gleich: Von diesem Mann würden auch wir eine Pfeife kaufen. Selbst wenn wir sie nie rauchen, allein ihr Anblick würde uns immer wieder aufs Neue erfreuen. „Ist auch schon passiert“, lacht David Wagner übers ganze Gesicht, „mein jüngster Kunde war 15, kam mit seinen Eltern und hat einfach nur schöne Pfeifen gesammelt.“ So zumindest die offizielle Eltern-Version.
Wagner selbst war ebenfalls 15, als er das erste Mal heimlich die Pfeife seines Vaters mit Zigarettentabak stopfte. Ob es ein Genuss war, daran kann er sich nicht mehr erinnern. Es war aber ein Erlebnis, dass sich in seinem Hirn einbrannte. Feuer und Rauch – das habe ihn an die Anfänge der Menschheitsgeschichte erinnert, sagt Wagner. Deshalb gibt es heute, knapp dreißig Jahre später, bei ihm auch eine „archaic“-Linie, die von alten Steinzeitpfeifen inspiriert ist.
Zum richtigen Pfeifenraucher wurde Wagner, als er so um die Dreißig war. Da dann aber wirklich aus Freude am Genuss, sagt er. Und dass er niemals eine Pfeife nur nebenbei paffen würde. Wenn er sich eines seiner Geräte anzündet, muss er erstens Ruhe haben und zweitens allein sein. Als Untermalung genügt ihm das Rauschen des Baches hinterm Haus, ab und zu auch klassische Musik.
Pfeifenrauchen wurde für Wagner zum Hobby, vom Pfeifenmachen aber war er noch meilenweit entfernt. Der studierte Informatiker arbeitete damals als Computersystem-Entwickler bei Siemens in Wien und verlor dort zusehends den Sinn seines Seins aus den Augen. „Du arbeitest nur mit dem Kopf, bist Teil eines riesigen Systems und siehst nie ein fertiges Endprodukt von dir.“ Bevor er solcherart zur erstarrten Figur verkam, war Wagner einfach mutig. Er schmiss den sicheren Job hin, zog an den Traunsee – und begann mutterseelenallein einen Holz-Katamaran zu bauen, um damit die Welt zu umsegeln. Blauäugig ja, sagt er heute, jedoch der erste Schritt dorthin, wo er jetzt steht. Davor habe er nie mit Holz gearbeitet, 2200 Stunden und drei Jahre später wusste der Tüftler aber schon sehr genau wie man mit diesem Material umgeht. Und noch eines wusste er ganz genau: Mit diesem Boot wird er niemals den Erdball umrunden. Erstens sei es – Anfängerpech – dafür zu klein konzipiert gewesen. Zweitens aber hätte ihm diese Zeit gezeigt, dass ihm weniger das Segeln Spaß mache als vielmehr die Herausforderung etwas Perfektes mit den eigenen Händen herzustellen. Womit wir jetzt endlich bei den Pfeifen sind.
Noch ein Boot kam nämlich nicht in Frage. Gemäß seiner Lebensphilosophie, nur soviel Zeugs um sich herum anzuhäufen, dass man am nächsten Tag alles zusammenpacken und einfach weiterziehen könne, waren die Schiffanakel einfach zu groß. Die kleinen Pfeifen aber waren handlich, ebenfalls aus Holz und Wagner wurde er vom passiven Raucher zum aktiven Täter. Vielleicht weil der Perfektionist davor nie eine Pfeife hatte, die ganz seinen individuellen Bedürfnissen entsprach. Schließlich gibt es da ja enorme Unterschiede. Einer hält sie beim Rauchen lieber in der Hand, da darf der Pfeifenkopf nicht zu heiß werden. Ein anderer klemmt sie fortwährend zwischen den Zähnen ein, dafür muss das Mundstück hart genug sein, sonst ist es sofort abgekaut. Sogar auf Links- oder Rechtshänder kann Rücksicht genommen werden, wenn man sich so ein maßgeschneidertes Rauchgerät von David Wagner zulegt.
Vielleicht aber auch, weil ihn die Herausforderung lockte, den einfachen und doch komplexen Mechanismus des Durchzuges zu Durchschauen und mit höchster Präzision so zu Verfeinern, dass er immer funktioniert. Wie das genau geht, ist Wagners Geheimnis. Nur soviel wird verraten: es hat etwas mit der Lenkung des Luftstromes im Mundstück über eine V-förmige Auffächerung in eine runde gebohrte Öffnung zu tun, die letztendlich aber oval geschliffen wird. Wenn Wagner heute durch ein Mundstück die Luft ansaugt, merkt er gleich am Geräusch, ob es gut zieht oder nicht.
Was auch Laien wie wir verstehen: Der Pfeifenkopf wird aus der Baumheide Erica Arborea, auch Bruyere genannt, einem knorrigen Strauch aus dem Mittelmeerraum, geschnitten. Dieses Holz ist hitzebeständig und hat eine schöne Maserung zumeist ohne störender Einschlüsse, weil es recht langsam wächst. Die Baumheide wird von Coupeuren, wie die Bruyere-Sammler genannt werden, 20 Stunden lang ausgekocht, damit sie keine Bitterstoffe mehr enthält. Die besten Stücke, die unter dem Rindenbereich liegen, sucht sich Wagner bei vier Männern seines Vertrauens in Italien und Marokko aus, und lässt sie zwei Jahre lang bei sich zu Hause reifen, bis sie den richtigen Feuchtigkeitsgehalt haben und beim Schleifen nicht aufreißen.
Wenn Wagner mit so einem Stück Holz zum Schleifstein geht, weiß er nicht genau was daraus wird. Die Form lasse sich schon erahnen, sagt er, im Endeffekt bestimme aber die Holz-Maserung, wie die Pfeife dann aussieht. Und die Maserung komme erst beim Schleifen zum Vorschein, von ihr lasse er sich kreativ leiten. Berühmt aber ist Wagner für seine gefühlvolle Sandstrahl-Technik, mit der er aus der Maserung einen 3D-Effekt herausholt, in dem man stundenlang versinken kann.
Ebenfalls einzigartig: erst nachdem der Kopf seine Form hat, bohrt Wagner die Tabakkammer und das Loch für den Durchzug. Diese müssen exakt und stufenlos miteinander verbunden sein. In das Ausgangsloch wird dann das Mundstück aus Kautschuk mittels eines Teflonzapfens eingesetzt. Man könne den Zapfen auch direkt aus Kautschuk machen, erklärt Wagner, Teflon sei aber bruchsicherer und thermisch stabil, was nicht unwesentlich für den Rauchgenuss ist.
Sechs Jahre lang acht Stunden täglich habe er gebraucht, sagt Wagner, bis er sein Handwerk verstanden habe. Zwar lerne er jetzt noch immer, aber das mit den acht Stunden gehe er entspannter an. Und überhaupt sei wohl wieder etwas Abwechslung angesagt, bevor er hier ganz erstarre. Langsam kräuselt sich der Rauch um seine Nase, während David Wagner in die Botanik sinniert. Und grad als wir befürchten, er würde uns als Holzfäller in Alaska abhanden kommen, setzt er endlich nach: „Ich könnt ja mein Zeug packen und nach Triest gehen. Für meine Pfeifen brauch ich nicht viel, die kann ich überall machen.“

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