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S-Magazin 1/2019

Die Brüder Höflmaier

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MILCHTRINKEN IST UNSER JOB

Die Brüder Josef und Thomas Höflmaier wollten es wissen. Entgegen aller Erwartungen haben sie die kleine Privatkäserei ihrer Vorfahren in Lochen am See übernommen. Dort zeigen sie, dass simple Milchprodukte ganz besonders gut schmecken können.

Fotos © Philipp Horak

Es gibt Landschaften, die schmiegen sich so wohlig ins Bild, dass man sofort denkt: Aha, Bilderbuch! Sanfte Hügel, die weit in den Horizont purzeln zum Beispiel, in einem satten, fröhlichen Grasgrün, hie und da unterbrochen von ein bisschen Dunkelgrün, dort wo sich Bäume zu kleinen Wäldern zusammenrotten. Darauf verstreut Pünktchen in hellem Weiß mit roten Tupfen, die sich beim Näherkommen in stattliche Höfe verwandeln, und dazwischen einige in Schwarz-Weiß und Braun, die sich unschwer als Kühe identifizieren lassen. 

Dementsprechend gut gelaunt kurvt man durchs südliche Innviertel, das sich weich in der Morgensonne räkelt. Und man würde sich nicht wundern, wenn zum Drüberstreuen jetzt noch ein paar Kinder mit blechernen Milchkannen durch die Szenerie gelaufen kämen. Tun sie natürlich nicht. Zum einen weil heute, wenn überhaupt, nur noch hoch droben auf den Almen die Milch in Kannen aus dem Stall kommt. Zum Zweiten, weil um diese Uhrzeit, die Milch schon längst in den Molkereien und Käsereien verarbeitet wird.

Wir starten um 5 Uhr mit der Käseproduktion, sagt Thomas Höflmaier und wischt sich mit dem Unterarm ein paar Schweißtropfen aus der Stirn. 7 Uhr ist es jetzt und eigentlich noch ziemlich frisch. Drinnen in der kleinen Käserei aber hat es kuschelige 25 Grad und eine Luftfeuchtigkeit wie in der Karibik bei Regenzeit. In einem großen kupfernen Kessel hat Thomas die Magermilch, die zuvor vom Rahm (auf ostösterreichisch: Obers) getrennt wurde, mit Bakterien angereichert. Aus dem Käsebruch, der in den nächsten Stunden entsteht, wird später Emmentaler. 
In Handarbeit kann man fast sagen, denn in einer der letzten Privatkäsereien der Gegend gibt es zwar ein paar Maschinen, die dem Vier-Mann-Team mechanisch unter die Arme greifen. Vieles aber passiert mit Muskelkraft, Fingerspitzengefühl, Denkarbeit, Enthusiasmus und großer Liebe zum Detail. Sogar die Milchsäurebakterien für den Käse werden bei Höflmaiers selbst gezüchtet. Das macht sonst kaum jemand, weil das zu aufwendig ist, sagt Thomas. Und man muss wissen, was man tut, sagt er noch und grinst dabei von einem Ohr bis zum anderen.

Er jedenfalls weiß was er tut, denn er hat in der BAM Rotholz in Tirol, Österreichs bester Ausbildungsstätte für Milchwirtschaft, seinen Käsemeister gemacht, was sich heute offiziell „Milchtechnologe“ nennt. Aus dem dortigen Forschungslabor holt er sich auch die Stammkulturen, die er dann so kultiviert, dass sie sich an die hiesige Milch gewöhnen können. Dadurch unterscheiden sich die Milchprodukte aus der Käserei Höflmaier wesentlich von herkömmlicher Massenware.

Wir arbeiten viel mit Geschmack, sagt jetzt Josef, der ältere Bruder von Thomas, während er das Radio ein bisschen leiser dreht. Von FM4 lassen sich die vier Herren in der Käserei gerne begleiten, nur wenn es zu elektrolastig wird, kommt Radio Oberösterreich zum Zug. Und im übrigen, sagt Josef und streicht mit den Finger über seinen Bart, soll Hiphop gut für die Käsereifung sein. Sein schelmischer Blick verrät allerdings gleich, dass er das nicht so recht glauben mag, vor allem weil die Studie dazu nicht wirklich repräsentativ war. 

Für den Geschmack und die Qualität von Käse, Butter  und Co würden die Brüder Josef, 33, und Thomas, 28, alles tun. Das ist so etwas wie eine Herzensangelegenheit, schließlich haben sie sich ja auch entgegen aller Erwartungen und sogar zum Erstaunen ihrer Eltern entschlossen den Familienbetrieb weiter zu führen. Ich habe geglaubt, mit uns wird zugesperrt, sagt Papa Josef Höflmaier, der seine beiden Buben hauptsächlich noch beim Bürokram, bei Auslieferungen und bei Marktfahrten unterstützt. Mutter Maria schupft den Hofladen und auch die 82-jährige Oma Anna Höflmaier geht zur Hand, wenn irgendwo Hilfe gebraucht wird. Niemand, sagt Enkel Josef, schlagt zum Beispiel die Butter so flott wie die Oma. 

Seit vier Generationen ist die Käserei in Familienhand, mit der sich einst Urgroßvater Johann Kranzinger 1931 im Hinterzimmer eines alten Wirtshauses eingemietet hat. Damals hatte noch jedes Dorf in der Gegend eine eigene Käserei, weil sich im 19. Jahrhundert Schweizer Wirtschaftsflüchtlinge mitsamt ihrem Almwissen hier angesiedelt hatten. Eine Kranzinger-Tochter, also Oma Anna heiratete den Käsemacher Josef Höflmaier und die beiden bauten die Milchproduktion weiter aus. Neben Tilsiter und Emmentaler wurde Butter, Topfen und Joghurt alles bereits in einem eigenen Gebäude hergestellt. Ihr Sohn, selbstverständlich wieder ein Josef, spezialisierte sich zusätzlich noch auf Bergkäse, vor allem aber stellte er bereits 1994 komplett auf Bio um. 

Unsere Eltern hatten es schwer, weil damals hat noch kaum jemand darauf Wert gelegt, sagt der junge Josef, der praktisch in der Käserei aufgewachsen ist und überall mithelfen kann. Er hat Betriebswirtschaft studiert und ist, wie man so schön sagt, fürs Rechnen zuständig. Wir sitzen jetzt mit ihm auf der Hausbank in der Sonne und warten, dass es 9.03 Uhr wird. Genau dann setzt Bruder Thomas drinnen in der Molkerei die Käseharfe in Gang, die in exakt 15 Minuten den Käsebruch auf Erbsengröße für Hartkäse zerkleinert. Zeit ist ein wichtiger Faktor, sagt Thomas, die Milchverarbeitung erlaubt keinen Schlendrian. 

Unter der Führung ihrer Vorfahren wurden die unterschiedlichen Käse noch in fünf Kesseln gleichzeitig produziert. Das war Stress, sagt Thomas, also wurde auf einen großen 8000-Liter-Kessel umgestellt, in dem jeden Tag ein anderes Produkt erzeugt wird. Ohne die Tradition ihres Handwerks zu verraten, haben die beiden Brüder nach ihrer Übernahme 2018 das eine oder andere nach ihren Vorstellungen verändert. Wir sind modern, sagt Josef, und wir denken in Kreisläufen. Deshalb wird bei Höflmaiers kaum etwas verschwendet und Umweltverschmutzung ist verpönt. Geputzt und gewaschen wird mit einem sanften Reiniger, die Abwässer kommen ph-neutral in die Kläranlage im Keller. Den Milchrückstand aus der Zentrifuge bekommt der Nachbar zum Entenfüttern und aus dem Eiweiß, das sich beim Herstellen von Butterschmalz am Boden absetzt, wird Bio-Diesel gemacht. Auch unsere Molke, sagt Josef stolz, ist sehr begehrt, weil sie von sporenfreier Heumilch stammt. Sie wird in Wörgl getrocknet, pulverisiert und dann für Baby- und Sportnahrung weiter verwendet.

800.000 Liter Milch in reinster Bioqualität werden in der Käserei pro Jahr verarbeitet. Zum Vergleich: im nächstgrößeren Betrieb in der Gegend sind es 1.000.000 Liter. Pro Tag. Dafür wissen Josef und Thomas Höflmaier aber ganz genau Bescheid wie die zehn Bio-Bauern, von denen sie die Milch gekommen, ihre Kühe halten und vor allem wie diese gefüttert werden.

Wir sind mittlerweile im Reiferaum gelandet, wo Thomas und Bernie gerade, wie sie sagen, Tetris spielen. Hier lagern die Emmentaler-Laibe, 75 Kilo schwer, auf mehreren fahrbaren Regalen, werden einzeln abgeklopft, gewendet und je nach Reifung mitsamt dem Regal woanders hingeschoben. Nach einem geheimnisvollen System, für Außenstehende kaum durchschaubar. Bernie ist übrigens mit Thomas in die Schule gegangen und arbeitet nebenbei am elterlichen Hof. Dort werden die Kühe neben Bio noch mit besonderem Augenmerk aufs Tierwohl gehalten. So etwas schmeckt man in der Milch, sagt Josef für den Milchtrinken zum Job gehört. Deswegen wird privat lieber was anderes getrunken.

Der vierte im jungen Team ist Markus, ein gelernter Tischler und einer der auch etwas von Mechanik versteht. Dank ihm laufen die Maschinen selbst nach 50 Jahren wie geschmiert. Er hat auch die Modeln aus antibakteriellen Kirschholz angefertigt, mit denen einmal pro Woche die Sauerrahmbutter nur fürs Steierereck nach alter Tradition abgefüllt und dann händisch verpackt wird. Ansonsten wird jeden nachmittag die herkömmliche Süßrahmbutter erzeugt. Zirka 800 Kilo in der Woche, schätzt Josef, die zwar maschinell portioniert, aber von den vier Herren ebenfalls händisch verpackt werden.

Heinz Reitbauer hat die Höflmaiers vor zwei Jahren über einen Tipp des Schweizer Käse-Gurus Willi Schmid entdeckt. Ich habe noch nie jemand so liebevoll unsere Butter verkosten gesehen, sagt Josef beinahe ehrfürchtig und man spürt, wie viel Freude ihm die Begegnung bereitet hat. Schließlich gibt es wohl nichts Schöneres, wenn jemand dem eigenen Tun Respekt zollt und damit die Mühe anerkennt, die dahinter steckt. 

Gerade bei der Sauerrahmbutter haben wir viel ausprobiert, sagt Josef, der aber nicht allzu viel darüber verraten will. Nur dass dem Rahm (Obers) mehr Zeit als üblich zum Reifen gegeben und damit mehr an Geschmack herausgeholt wird, lässt er sich heraus locken. Wir haben mehr Work als Balance, sagt er, während er mit den Händen die Butter aus der Trommel schöpft und zu einem anschaulichen Butterberg anwachsen läßt. Aber es ist ein ehrliches Handwerk, sagt er noch und dass es einfach Spass macht und man deshalb auch eine Sieben-Tage-Woche locker aushält.

Zackzackzack schlägt Josef Höflmaier jetzt die Butter in die kleinen Modeln. Stetig und in gleichmäßigen Bewegungen, so dass man beim Zuschauen fast ins Meditieren kommen könnte. Allein unser Magen hält uns davon ab. Knurr, sagt er und verlangt auf der Stelle nach einem Butterbrot. Mit Höflmaier-Butter, natürlich. 

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