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Servus Magazin - Juli 2014

Ernst Adelsberger

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DAS NATURTALENT

Ernst Adelsberger aus dem niederösterreichischen Mostviertel macht Holzkunstwerke. So lebensecht, wie kaum wer anderer. Und mit der Motorsäge.

Foto © Philipp Horak

Sie sieht einen aus dunkelbraunen Augen sanft an und gleich wird sie mit dem Ohrwaschel die Fliege verscheuchen, die es sich fürwitzig zwischen ihren Hörnern bequem gemacht hat. Ja, das würde diese Kuh machen, wäre sie nicht aus Holz geschnitzt und würde ihr Kopf nicht im Hause ihres Schöpfers Ernst Adelsberger an der Wand hängen. Auch der Geißbock sieht aus, als würde er stehenden Fußes raus auf die Wiese laufen und der Hund dort drüben, der wird sicher sofort laut losbellen. Wird er natürlich nicht, denn einzig und allein die Fliege und wir sind lebendig in diesem Raum. Alles andere aber sieht bis ins letzte Detail dermaßen echt aus, dass man einen Tick länger als bei herkömmlichen Schnitzereien braucht, um Schein und Sein auseinander zu halten. Lebensgroße Holzknechte, Wandersleute, ja selbst eine riesige, gekreuzigte Christusfigur wurden vom Meister so geschaffen, als würden sie in der nächsten Sekunde zum Leben erwachen. Oder umgekehrt, als wären sie mitten im Leben erstarrt. Eine Betrachtungsweise allerdings, die der Philosophie und dem Streben ihres Schöpfers widersprechen würde.
Ernst Adelsberger ist ein Beseelter. Einer, dessen größtes Glück es ist, totem Holz neues Leben einzuhauchen. Und er ist ein Naturtalent, im umfassendsten Sinne dieses Wortes. Vom Vater, einem Viehbauern aus der Gegend bei Waidhofen an der Ybbs, habe er viel über die Natur gelernt, sagt Ernst Adelsberger. Das Beobachten der Tiere und das Wissen über ihr Verhalten haben ihn schon als Kind fasziniert. Von der Mutter wiederum, hat er das Talent zum Zeichnen mitbekommen. Ganz begeistert seien die Lehrer gewesen, sagt Ernst Adelsberger, was er, der kleine Bauernbub, da ohne langes Üben aus dem Handgelenk geschüttelt habe. Naheliegend, dass er sich künstlerisch mit der Darstellung seiner Lieblinge aus der Natur, also Rehen, Hirschen, Kühen, Vögeln, beschäftigte. Naheliegend auch, dass ihm das Zweidimensionale bald zu wenig war und er zu Schnitzen begann.
Sein erstes Werk war ein Buntspecht, über dessen Lebensechtheit man rundum entzückt war. Doch dann starb seine Mutter. Gemeinsam mit dem Vater und seinen zwei Brüdern musste er sechszehnjährig den Hof schupfen, da blieb für die Kunst weder Muse noch Zeit. Erst sechs Jahre später führte ihn ein Wink des Schicksals wieder zurück zu seiner Berufung. Der Vater wollte für das neugebaute Haus einen geschnitzten Herrgott kaufen. Probier’ ich selber, sagte Ernst Adelsberger, und als der Herrgott dann am Haus hing trudelten sofort Bestellungen aus den umliegenden Höfen ein. Immer weitere Kreise zog sein künstlerischer Ruf, bis dann gar der Göttlesbrunner Winzer Hans Markowitsch ein Relief für den Boden eines 28.000-Liter-Weinfasses bestellte. Wär’ schön, wennst davon leben könntest, sagte sich der damals 27-Jährige und ließ sich offiziell als freischaffender Künstler anerkennen.
„Wennst jung bist, traust dich mehr“, sagt Ernst Adelsberger heute mit 56, und sieht dabei etwas erstaunt über seine seinerzeitige Courage aus. Obwohl, wenn er es recht bedenkt, hätte sowieso kein Weg daran vorbei geführt, das Schnitzen zum Beruf, zu seinem Leben, zu machen. Lediglich Hobbyschnitzer, dazu brennt die Leidenschaft zu sehr in Ernst Adelsbergers Brust. Und dazu ist der Weg, den er mit seiner Kunstfertigkeit schließlich vor 15 Jahren eingeschlagen hat, wohl auch zu laut. Das Schicksal, oder der Zufall, brachten Ernst Adelsberger nämlich damals auf die Motorsäge.
Iiiiiieeeg, Iiiiiieeeg, Iiiiiieeeg – 80 Dezibel fliegen einem um die Ohren, wenn der Meister mit einer Stihl die kleine Hand des Jesukindes freilegt. Aus einer 80-jährigen Linde aus der Gegend von Rosenau am Sonntagberg, die dort gefällt werden musste. Es ist üblich, dass ihn die Leute anrufen, wenn mächtige Bäume sterben, sagt Ernst Adelsberger. Entweder weil es der Mensch beschlossen hat oder weil ihre Lebenszeit abgelaufen ist. Wenn er sich mit seiner Kunst dem Holz annimmt, leben sie weiter.
Mach was draus, hat die Besitzerin der Linde zu Ernst Adelsberger gesagt und der hat einen etwa 4 Meter hohen Teil des Stammes mit dem Kran geholt und in seinem Garten aufgebockt. Wichtig ist, dass von unten Luft dazu kommt, nur so kann das Holz natürlich trocknen. Dann leben die Bäume noch 2000 Jahre, sagt Ernst Adelsberger. Eine Heilige Familie wird er mit der Motorsäge in den Stamm schnitzen. Mit freundlichen Augen, einem lebendigen Gesichtsausdruck und einer schwungvollen Bewegung in den Falten der Gewänder. Wie groß die Figuren werden und wie sie angeordnet sind, das gibt ihm der Baum vor, sagt Ernst Adelsberger. Beim ersten Blick auf den Stamm, sieht er sofort, was daraus werden kann. Was nicht immer mit dem Wunsch der Kunden übereinstimmen muss.
Die Birnbaum-Madonna an der oberösterreichischen Grenze auf der Straße zwischen Waidhofen und Großraming ist so ein Beispiel. Der Besitzer wollte vor drei Jahren dem toten Birnenbaum mit einer Madonna ein Denkmal setzen. Mit Kind?, fragte Ernst Adelsberger. Ohne, sagte der Mann. Doch kurz nachdem er zu arbeiten begonnen hatte, stieß der Künstler auf Hohlräume im Baum. Wie auch immer er es sich mit seinem räumlichen Vorstellungsvermögen versuchte auszumalen, eine Madonna alleine wäre schief und wie betrunken dagestanden, sagt Ernst Adelsberger. Mit Kind aber, dem er noch drei Birnen in die Hand legte, wurde es ein anschauliches Werk mit properen Proportionen und ist mittlerweile eine kleine Wallfahrtsstätte. Noch dazu, wo der Baum plötzlich wieder Äste austreibt. „In fünf Jahren tragt er wieder Mostbirnen“, sagt Ernst Adelsberger zufrieden. Selbst die rot-weiß-rote Weg-Markierung, die dem Baum verpasst wurde, kann er inzwischen in sein Weltbild integrieren. Schließlich zeige ja auch die Madonna vielen Menschen, wo es langgeht.
Sein Lebensweg führte Ernst Adelsberger vor 15 Jahren mit dem Altenmarkter Wirten Franz Schneider zusammen, einem leidenschaftlichen Jäger mit einer Pacht im Lungau. Dorthin eingeladen um Jagdtrophäen naturgetreu zu Schnitzen, entdeckte der Künstler eine umgefallene Zirbe hoch droben auf der Alm. „Dreihundertfünfzig Jahre alt! Und so ein schönes Holz, weil es langsam wächst!“ Selbst beim Erinnern wird Ernst Adelsberger augenscheinlich von der Begeisterung überwältigt. Blieb nur noch die Frage, wie man den Stamm vom unwegsamen Gelände ins Tal transportieren könnte. Also besorgte er sich eine Motorsäge mit Akku, stieg hinauf, zerteilte den Stamm in größere Stücke und begann mitten im Wald sogleich Figuren daraus zu formen, die er dann händisch gemeinsam mit seiner Frau abseilte.
Seither arbeitet Ernst Adelsberger am liebsten mit Zirbenholz und fast ausschließlich mit der Motorsäge. Acht Stihls und 2 Husquarnas lagern in seiner Werkstatt, für jedes Schwert in den unterschiedlichen Größen eine eigene. Nur mehr ganz selten nimmt er das Holzstemmeisen zur Hand, um Augen oder Gesichtszüge nachzubearbeiten. Hochkonzentriert müsse man mit der Motorsäge sein, sagt Ernst Adelsberger, einmal nicht aufgepasst, schon ist nicht nur die Skulptur sondern auch das ganze gute Holz beim Teufel.
Zehn Stunden hat er früher am Stück gearbeitet, schön langsam muss er dem Alter Tribut zollen. Fünf Stunden Maximum und dazu hat er sich eine verschiebbare Halterung mit Feder für die Motorsägen konstruiert. Die Schultern machen nicht mehr so lange mit, sagt er, und dass es ganz schön anstrengend ist, einen Stamm Scheibchen für Scheibchen mit dem Gerät zu bearbeiten. Dafür ist er durchtrainiert wie ein Spitzensportler und trägt den 30 Kilo schweren Geißbock, der sich wider Erwarten doch nicht von selbst bewegt, locker zum Fotografieren auf die Wiese. Bis auf die Hörner, die echt sind, ist es eine komplette Motorsägenarbeit und ein Porträt seines ersten Ziegenbockes, den er kurz vor dessen Abbleben noch verewigen wollte. Sieht total aus wie der Pauli, sagt Ernst Adelsberger und dass das Umundauf eines gelungenen Werkes ein lebendiges Gesicht sei.
Zu seinem Stil gehört es auch, dass alle, Tiere, Menschen oder Heiligenfiguren, freundlich dreinschauen. Seien es die riesigen Holzknechte, die sich ein Sägewerksbesitzer in Allhartsberg zum 50. Firmenjubiläum anfertigen hat lassen und in denen allein 600 Arbeitsstunden stecken. Oder die Wildsau mit Ferkeln, die er einem Wirten in Kematen auf den Spielplatz gestellt hat, damit die Kinder nicht auf Plastikschweinen herumturnen müssen. Oder die Heilige Familie in der Zirbe, auf die im salzburger Thomatal gerne als besondere Sehenswürdigkeit hingewiesen wird. Eine zusammengewachsene Dreiergruppe stand da auf der Suppanalm und als Ernst Adelsberger sie 1999 entdeckte, sah er sofort die Skulptur, die in ihr schlummerte. Fest mit dem Boden verwurzelt wird dieses Werk noch viele, viele Jahre weiterleben. „Geschützt durch meine Kunst“, sagt Ernst Adelsberger. „Ich bin, wennst es so willst, ein natürlicher Baumschützer.“

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