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Red Bulletin - 2009

Lena Hoschek

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AM ANFANG WAR DIE BARBIEPUPPE

geht erfrischend unkonventionell mit Traditionen um. Und mischt mit ihrem detailverliebten, humorvollen Retro-Look gerade das Fashion-Business auf.

„Wann hast du beschlossen, Modedesignerin zu werden?“
„Als Kind. Frag meine Barbiepuppen und Bären, denen ich aus alten Socken neue Gewänder gemacht habe.“ Gut, so etwas soll öfters vorkommen, um später im realen Leben als frommer Kinderwunsch in Vergessenheit zu geraten. Auch Lena Hoschek sah sich zwischenzeitlich als Jet-Pilotin, Tierärztin, Krankenschwester oder Snowboard-Profi. „Ich habe aber immer gewusst, ich will selbständig tätig sein.“ Ungeschminkt, mit Riesenbrille und einer, sagen wir einmal, recht unscheinbaren Frisur, löffelt die 29-jährige Grazerin in der Mayday-Bar im Hangar-7 „Mood Food“ und hat dabei sogar nichts vom Glitzer & Glamour der Modewelt an sich. Selbst ihr Kleid ist auf den ersten Blick nicht gerade ein zwingender Hingucker – wäre da nicht der weiße Petticoat, der den weiten Rock beim Gehen zum Wippen bringt und immer wieder frech unter dem Saum hervorlugt. Ob das Fashion-Business an sich eitel sei, könne sie nicht sagen, weil sie großteils gar nicht daran anstreifen möchte, sagt Hoschek. „Ich selbst, hab’s aber immer schon gern gehabt, wenn sich alles um mich dreht.“ So versteht man auch, dass es ihr erster Impetus war, für sich selbst und für Frauen mit ganz normalen Figuren samt Rundungen fesche Kleidung zu machen. Zu sehr, sagt Hoschek, seien die Designer in den letzten Jahren darauf fixiert gewesen, Outfits zu kreiern, die Frauen von vorne herein eine perfekte Figur abverlangen. „Ich will aber Mode machen, für die man nicht hungern muss. Kleider, die dem Körper eine schöne Form geben.“ Mit Schnürungen und Korsetts werden Busen und schmale Taillen betont, mit weiten Röcken wird auch ein Popo für Kleidergröße 42 eine Augenweide.
Der Erfolg gibt Hoschek recht, immerhin zählt sie seit drei Jahren zu den Shooting-Stars der Fashion-Szene und wird dort auch so schnell nicht wieder verlöschen. Selbst wenn die Großen des Business – zum wievielten Mal eigentlich? – wieder einmal die Abkehr von Mager-Models propagieren, um sich dann so was von gar nicht daran zu halten. „Vor den Shows“, erzählt Hoschek, „muss ich einen ganzen Tag Laufstegmodels casten. Obwohl ich meine Wünsche nach Rundungen bei den Agenturen deponiere, kommen Mädels daher, denen ich am liebsten Croissants nachwerfen möchte.“ Und die dann völlig platt sind, wenn sie als zu dünn abgelehnt werden, weil sie andernorts als zu dick gelten. Und wir sprechen hier bitte von Maßen der Kategorie 34, nicht 44.
Vermutlich aber ist Hoschek selbst das beste Model ihrer Mode. Für unser Shooting wirft sie sich zunächst in ein Dirndl, bringt ohne viel Aufwand die Haare in Fasson und verwandelt sich mit etwas Lidschatten und Lippenstift im Nu in eine Art trachtiges Pin-Up-Girl. Als sie dann in roten High-Heels den Hangar-7 durchschreitet, verlieren F 1-Boliden und schicke Flieger kurzfristig die Aufmerksamkeit der Besucher. Gebannt beobachtet man die pralle Sinnlichkeit, mit der sie durch den Raum stöckelt und verlangt Autogramme. Das sind Augenblicke, die Hoschek sichtlich geniest. Und die sie liebend gerne allen Frauen dieser Welt mit ihrer Mode ermöglichen möchte.

„Wann hast du dir zum ersten Mal gedacht, ich hab’s geschafft?“
„Als im Herbst 2007 eine Bluse von mir in der ,Vogue‘ erschienen ist.“
Nach wie vor gilt die Bibel der Fashion-Victims als Gradmesser für den Erfolg. Allerdings nur im kleinen Kreis der Insider. Wirtschaftlich wesentlich mehr bringen Abbildungen in bodenständigen Frauen-Zeitschriften wie „Brigitte“, „Für Sie“ oder wie sie sonst noch alle heißen. Danach verstärkt sich die Kunden-Frequenz in ihren Shops deutlich, auch die Klicks auf Hoscheks Internet-Seite schnellen messbar in die Höhe. „Ich habe mich lange vehement gegen einen Online-Shop gewehrt“, so Hoschek, „weil ich das von mir selbst kenne und beim Shoppen die Sachen angreifen und probieren möchte.“ Deshalb habe sie bis vor kurzem ihren Internet-Auftritt mehr wie einen Newsletter für Fans benutzt. Die sind allerdings hartnäckig geblieben, denn Fifties- und Rockabilly-Fans sowie Mädels die Vintage-Mode mögen, sind auf der ganzen Welt verstreut. Und nachdem jetzt sogar von den Bermudas um Outfits angefragt wird, wird es Hoschek in Kürze auch übers Web zu kaufen geben. Ebenfalls hilfreich, um international bekannt zu werden: Stars, die sich in Outfits zeigen. „Da geht es aber“, so Hoschek, „ehrlich gesagt recht mafiös zu.“ Große Labels leisten sich eigene Angestellte, die nur damit beschäftigt sind, Celebreties nachzulaufen, die dann auch noch dafür kassieren, dass man ihnen Outfits schenken darf. Oder angesagte Stylisten becircen, um möglichst oft bei Shows und Fashion-Shootings unter zu kommen. Dafür habe sie weder Zeit noch Geld, und tja, Pop-Star Kate Perry, das sei ein glücklicher Zufall gewesen. Da habe jemand aus der Sponsorentruppe für Perrys Album-Release-Party um entsprechendes Gewand bei ihr angefragt. „Kate Perry? Wer ist denn das, hab ich gefragt. Ich höre nicht Ö3, sehe nicht MTV, hab nicht einmal einen Fernseher, woher soll ich die kennen?“ Es sollte ihr bislang publicityträchtigster Coup werden, obwohl mittlerweile auch das Model Franziska Knuppe und die rothaarige Sexbombe Christina Hendricks aus der US-TV-Serie „Mad Men“ zu deklarierten Hoschek-Fans gehören. Gut machen wird sich auch der Name von Stil-Ikone Dita von Teese auf dieser Liste, die soeben brieflich Hoscheks Designer-Werk gelobt und sich ein Dirndl zugelegt hat.
„Ach, die Dirndl-Sache“, seufzt Hoschek und verdreht die Augen. Zu sehr fühlt sie sich mittlerweile auf dieses Stück österreichische Tracht festgenagelt, obwohl das nur einen Bruchteil ihrer Kollektion ausmacht. „Ich bin Handwerkerin und Traditionalistin, ein Riesenfan von Details und Dingen, die über Jahrhunderte gereift sind.“ Deshalb habe sie als Designerin auch nie den Anspruch gehabt etwas neu zu erfinden. Vielmehr mache sie Retro-Sachen, in die sie immer wieder Folklore-Elemente hineinmischt. Und als Nostalgikerin sei sie halt Fan der österreichischen Folklore und „jetzt hat man mich ganz simpel mit einem Dirndl- und Trachtenimage gebrandet.“ Dabei seien die bunten Bänder, mit denen sie in ihrer aktuellen Kollektion Röcke und Blusen aufpeppt aus dem osteuropäischen Raum. Und grundsätzlich sei sie momentan mehr von der englischen Landmode und den Dandys der 30er und 40er Jahre inspiriert. „Sag Tweed, sag Schiebermützen. Nur das englische Thema allein war mir dann aber zu fad, darum habe ich es mit russischer Folklore aufgemischt.“

„Acht Monate Praktikum bei Vivienne Westwood in London. Wie war’s?
„Sehr lustig! Und Augen öffnend!“
Gleich nach ihrer Matura am Grazer Sacre Coeur machte sich Lena Hoschek auf nach Wien, um sich für die Modeklasse an der Hochschule für Angewandte Kunst zu bewerben. Stilistisch bereits zu gefestigt, begründete man ihr die Absage, also inskribierte Hoschek zunächst auf der Wirtschafts-Uni. Zwar aus Interesse – das Ziel „Unternehmerin“ hatte sie immer vor Augen – aber nur mit mäßigem Erfolg. Das Nachtleben in der Großstadt war einfach zu fett, die Musikszene hervorragend und die Vorlesungen trocken und langweilig. Besser ging es ihr dann auf der Modeschule Hetzendorf, weil man dort von der Schnittführung bis zur Endfertigung alles von der Pique auf lernt. Zu spät dran – „das war immer schon so!“ – war sie danach für das Saint Martins College of Art & Design. Da Hoschek dafür aber gerade in London war, rief sie kurz entschlossen auf Anraten des österreichischen Designers Gregor Pirouzi bei Vivienne Westwood an – und wurde prompt genommen. Nach einer Einstiegsphase mit Köpfe-annähen in der hintersten Reihe, schaffte sie den Aufstieg in der Hierarchie als man ausgerechnet jemand suchte, der eine Barbie-Puppe für ein Charity-Event in Westwood kleiden sollte. „Da bin ich die Oberspezialistin! Wurscht wie aufwändig, das kann ich“, zeigte Hoschek auf und schaffte es in Folge, dass die Meisterin persönlich auf sie aufmerksam wurde. „Ich kann superfein nähen und bei einem Brautkleid für eine Russin durfte ich ihr als Assistentin direkt zur Hand gehen.“ Was sie sonst noch gelernt habe? Dass auch die großen Designer nur mit Wasser kochen, vor den Shows auch immer zu spät dran sind und „dass egal ob du beim normalen Installateur oder beim überdrüberen Fashion-Designer arbeitest: was zählt ist das Handwerk!“
Am Anfang dachte sie, sagt Hoschek, dass sie möglichst breit in internationalen Shops vertreten sein muss. „Das geht aber nur mit einem Financier. Je erfolgreicher du wirst, umso mehr geht die Finanzschere auf.“ Im Fashion-Business muss man von den Stoffen bis zu den Zulieferern alles vorfinanzieren, und zwar langfristig, denn das Geld kommt frühestens ein Jahr später wieder herein. Dazu kommen die nicht gerade geringen Kosten für Shops in guter Lage und Fashion-Shows, die man braucht, um aufzufallen. Früher hat Hoschek nur bei Mode-Messen mit gemacht, seit zwei Jahren leistet sie sich eigene Auftritte bei der Fashionweek Berlin. Drei fixe Mitarbeiter kann sie sich in ihrem kleinen Unternehmen leisten, der Rest wird mit Freelancern durchgezogen. Und zum Nähen, obwohl das ihre große Leidenschaft ist, kommt sie selbst gar nicht mehr. Im Gegensatz zur großen britischen Modedame Westwood, deren Kreationen allein durch Drapieren der Stoffe plus Designs an Puppen entstehen, entfaltet Hoschek ihre Entwürfe zuerst zeichnerisch auf Papier. Ein zu experimentelles Herangehen an die Sache, habe sie nicht, meint Hoschek. Sie sei auch keine Künstlerin sondern folge eher den Regeln des Grundschnittes, den sie dann abwandelt. Auch weil sie klassische Kleidung am liebsten mag. „Es hat einen Grund, warum ein Hemd zwei Ärmeln hat und nicht fünf. Ich will, dass die Leute meine Sachen ganz unkompliziert anziehen können.“
Mittlerweile hat sich Lena Hoschek fürs Shooting mit ihren Outfits vom Pin Up-Girl über eine Rockabilly-Queen bis zur Rockerbraut vor der Kamera erfrischend selbstironisch in Pose geworfen. Wobei wir das mit dem „unkompliziert“ angesichts atemberaubend eingezwängter Taillen leicht in Frage stellen möchten. Aber es wirkt. „Warum stehen Frauen auf Mode? Weil sie von Männern Komplimente bekommen möchten“, ist Hoschek überzeugt. Kleiner Nachsatz: „Na ein bisschen muss Schönheit schon leiden. Sonst könnten wir ja alle im Jogging-Anzug herumlaufen!“

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