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PORTRÄTS
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Servus Magazin - August 2018
Panoramamaler Heinz Vielkind
EINE FRAGE DER PERSPEKTIVE
Die Kunstwerke von Heinz Vielkind hat jeder einmal in der Hand. Die Wander- und Skikarten des Innsbrucker Panoramamalers leiten uns sicher durchs Gelände. Auch wenn dafür manchmal etwas an der Wirklichkeit gedreht werden muss.
Foto © Christof Wagner
Mit der Realität ist das so eine Sache. Manchmal muss man ein bisschen die Perspektive verändern und schon sieht man klarer. Das gilt im Großen wie im Kleinen und im Kleinen ist es gut, dass es Heinz Vielkind gibt. Da kann die Technik noch so fortgeschritten sein und Google Earth im Internet protzen. Auf so einem digital ausgedruckten Plan würden wir zwar jetzt das Tal sehen in dem wir gerade stehen, aber nicht die Hütte, die da irgendwo links hinterm Berg liegt, geschweige denn, den Weg dorthin finden. Wir aber haben eine gemalte Karte in der Hand, auf der man auch in die versteckte Schlucht sieht, mitsamt einer roten Linie die uns sicher ans Ziel führt.
Dafür muss man ein bisschen in die kartografische Trickkiste greifen, sagt Panoramamaler Heinz Vielkind und zieht jetzt das Blatt mit dem Grödnertal aus einer Schublade. Vermutlich die halbe Welt lagert hier fein säuberlich gezeichnet in seinem Innsbrucker Atelier, vor allem aber Bergregionen in denen gewandert oder skigefahren wird.
Diese haben auf den Bildern von Heinz Vielkind alles was sie brauchen und das ist eben immer ein Äuzerl mehr als eine 1:1-Wiedergabe zeigen könnte. Dass man zum Beispiel im Grödnertal rechts hinten auch noch den Hausberg, den Langkofel, von seiner schönsten Seite sieht passt total stimmig ins Bild, wäre aber so auf keinem Foto zu sehen.
Ein Panoramamaler, sagt Heinz Vielkind und grinst spitzbübisch, kann Berge versetzen, aber er muss ein Gefühl für Landschaften und für Perspektiven haben. Und er muss einen, den entscheidenden, Trick gekonnt beherrschen: Heinz Vielkind lässt auf seinen Bildern aus der Vogelperspektive die Erdkruste stärker als ihre natürliche Krümmung in Richtung des Betrachters abfallen. Dadurch kann er die Landschaft wie eine Ziehharmonika auffächern und Punkte zeigen, die sich sonst hinter hohen Bergen oder in tiefen Tälern verstecken würden. So ähnlich wie bei den alten Klappbildern, wo ganze Szenerien zwischen zwei Pappendeckeln in 3-D herausspringen. Der Tiroler Künstler aber kann diesen Effekt eindimensional auf einem Stück Papier erzeugen.
Das Grödnertal bekommt jetzt übrigens gerade noch den Ort Lajen direkt am Taleingang links außen dazu. Dort haben die Grödner neue Wanderwege eingerichtet, die sie auf Plänen auch ihren Gästen zeigen wollen. Dafür wird das bereits riesige Panorama im Studio zunächst einmal angestückelt. Das Gute ist, sagt Heinz Vielkind, dass sich die Landschaften selbst ja nicht verändern. Also kann er neue Orte, Wege oder Pisten locker im alten Original dazu malen.
Auch die Verlängerung des Himmels ist kein Problem. Der ist immer strahlend Blau mit weißen Schäfchenwölkchen, im Winter etwas dünkler, im Sommer suggeriert er eine Nuance heller perfektes Wanderwetter. Schließlich will keiner mit dunklen Regenwolken in seinem Plan losstiefeln.
Es ist also eine Gratwanderung zwischen Realität und Illusion, die ein Panoramamaler gekonnt hinlegen muss. Manchmal mischt sich noch eine gute Portion Diplomatie dazu. Der Arlberg, sagt Heinz Vielkind und fast scheint es, als würde er kurz mit den Ohren schlackern. Der Arlberg also hatte dem an sich besonnenen Meister einst einiges an Nerven gekostet. Die Vorarlberger Seite mit Lech fühlte sich nämlich zu sehr in den Hintergrund gerückt, empfand den Tiroler Teil mit St. Anton zu vordergründig dominant. Da musste er schon sehr an der Perspektive des gesamten Bergmassives herumrücken, damit die beiden rivalisierenden Orte zufrieden waren. Einfacher machte es nur, dass es ein Winterpanorama war. Sommerpanoramen, sagt Heinz Vielkind, sind viel schwieriger zu malen. Dabei wird die Landschaft genauer porträtiert, müssen Wälder, Felsformationen und Schatten exakt platziert werden.
Es ist die Kunst von Heinz Vielkind, dass er uns auf seinen Bildern auf Entdeckungsreise schickt, unsere Blicke hinein in die Täler und rauf auf die Berge lenkt, und uns neugierig auf die Wirklichkeit macht. Schon sein Großvater war Landschaftsmaler, auch Heinz Vielkind zeigte als Kind Talent im Zeichenunterricht. Allerdings nur dort. Ich war ein miserabler Schüler, sagt der mittlerweile 79-Jährige, den sein damaliger Lehrer riet, das Lernen bleiben zu lassen und sich etwas Kreatives zu suchen. So wurde Heinz Vielkind der einzige Lehrling von Heinrich Caesar Berann, einer Koryphäe der Panoramamalerei.
Ganz früher, sagt Heinz Vielkind, ist man noch auf den gegenüberliegenden Berg gegangen und hat von dort aus fotografiert. Zu seiner Lehrzeit aber begann man die Landschaften aus der Luft mit der Kamera zu dokumentieren. Fliegen ist großartig, sagt Heinz Vielkind mit so leuchtenden Augen, als würden wir gerade über einem ihm unbekannten Gebiet schweben. Er selbst hat den Flugschein nie gemacht. Seine Rolle war die des Mitfliegers, der aus der Vogelperspektive alles knipste, die Fotos dienten ihm später beim Zeichnen als Vorlage.
Obwohl er zu den Menschen gehört, denen ein Blick genügt und die Landschaft prägt sich für immer im Gedächtnis ein. Den Ural, sagt Heinz Vielkind, habe ich nur einmal am Weg nach Japan überflogen. Doch wenn er heute die Augen schließt, hat er das Bild noch haargenau im Kopf. Dort und in seinem Fotoarchiv lagern Unmengen an Luftaufnahmen.
Zu seinen Lieblings-Panoramen gehören ein Naturpark nördlich von Osaka, die Dolomiten, das Kitzsteinhorn und der Dachstein, sagt Heinz Vielkind. Doch je länger wir ihm zusehen, wie er geduldig einen Schatten in eine Felswand schraffiert, umso mehr schöne Plätze fallen ihm ein. Jamaica zum Beispiel, oder Schottland, das Zillertal, der Lungau, die Pyrenäen undundund – von überall kommt man zum Innsbrucker Panoramamaler, um ein Gebiet aus der schönsten Perspektive dargestellt zu bekommen. Sein schwierigster Auftrag aber war ein Panoramabild von ganz Russland. Damals, Anfang der 1990er Jahre, als Google Earth noch nicht erfunden war, es vom riesigen Land noch kaum Landkarten und so gut wie keine Luftaufnahmen gab. Den gesamten Boden des nicht gerade kleinen Ateliers nimmt das Bild ein, das der Kunde niemals abgeholte. Stundenlang könnte unsere Blicke zwischen dem Schwarzen Meer und der Beringsee durch dichte Wälder, über Berge und Seen wandern. Das wird wohl bei mir bleiben, sagt Heinz Vielkind und so wie er das sagt, sind wir uns gar nicht sicher, ob er sich gerne davon trennen würde.
Ob es denn noch Gegenden gibt, die er noch nicht gemalt hat, fragen wir den Künstler, während er Russland wieder einrollt und in die Ecke stellt. Den Nationalpark Hohe Tauern, sagt Heinz Vielkind würde er noch gerne angehen. Und Wien und Umgebung. So ein Flug über die Donauauen, sagt er und schnalzt begeistert mit der Zunge, das wäre schon was. Ist ja mein Traumberuf, sagt er dann leise. Und zwar nicht nur weil er Leidenschaft und Kreativität zu einem Brotberuf machen konnte, bei dem er selbst durch neueste Technologien nicht ersetzt werden kann. Nein, Heinz Vielkind durchwandert die Landschaften, die er malt auch fast jede Nacht im Traum.