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Servus Magazin - Februar 2012

Petra Lindenbauer

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DER GUTE TON

In der Werkstatt von Petra Lindenbauer im burgenländischen Stadtschlaining entstehen Keramiken so erdig wie die Gegend rundherum. Und so schön, dass man fast vergessen könnte, sie auch zu gebrauchen.

Fotos © Nadja Meister

„Habt’s ein G’schirr? Hier kommt das Essen!“ Georg Lindenbauer steht mit einem großen Topf Gulasch in der Tür und grinst von einem Ohr zum anderen. Wir sitzen umgeben von Schüsseln und Tellern in der Keramik-Werkstatt seiner Frau Petra und wären beinahe in den Fettnapf getreten. Schon lag sie auf der Zunge, die Frage nach dem Gebrauchsteller für alle Tage, dabei halten wir den ja bereits in Händen. Er ist ein Unikat, fürwahr, mit seinen natürlichen Strukturen und der starken Farbmischung aus Türkis und Braun. Und trotzdem Teil eines kompletten Services, bei dem jedes Stück kraftvoll für sich selbst stehen kann, das in der Gemeinsamkeit aber ein Bild von archaischer Schönheit ergibt.
Wenn sie an eine Geschirr-Serie herangehe, sagt Petra Lindenbauer, wiege sie zwar den Ton bei jedem Stück vorher ab, aber dann lasse sie dem Material seine Freiheit. So werde zwar jeder Teller anders, am Ende passen aber einfach alle zusammen. Fast wirkt sie jetzt ein bissel erstaunt darüber, so als würde ihr das aus einer glücklichen Fügung heraus zufällig einfach so passieren. So ist das natürlich keineswegs, denn Petra Lindenbauer hat ihr Handwerk von der Pieke auf gelernt.
Es sind das Wissen über und die Liebe zum Material, die den Kunsthandwerker vom einfachen Handwerker unterscheiden. Und es sind neben Talent vermutlich die Neugierde und der spielerische Umgang mit Formen und Farben, die den Kunsthandwerker zum Künstler erheben. In unserem Fall zur Künstlerin, obwohl Petra Lindenbauer sich selbst niemals so bezeichnen würde.
Wenn man mit Ton arbeitet, sagt Petra Lindenbauer, kann man gar nicht überheblich, geschweige denn abgehoben werden. Trotz jahrzehntelanger Erfahrung habe man den natürlichen Werkstoff nie ganz im Griff, werde von ihm immer wieder auf den Boden der Tatsachen herunter geholt. Ton sei irgendwie grausam, sagt sie noch, denn er verzeihe keinen Fehler. Er sei sogar mit einem Erinnerungsvermögen ausgestattet, das einem oft erst am Ende einer Arbeit einen Strich durch die Rechnung macht. Genauer gesagt: einen Sprung durch die Schüssel.
Macht man nämlich während des Töpferns auf der Drehscheibe etwas falsch, kann man das zwar unmittelbar ausmerzen. Ganz zum Schluss aber, wenn man das Gut aus dem Brennofen holt, zeigen einem die Sprünge im Material unerbittlich, wo man nicht sauber gearbeitet hat. Petra Lindenbauer hat zwar die Unperfektheit bei der Form ihrer Keramiken zum künstlerischen Stilmittel erhöht, wesentlich dabei ist jedoch, dass sie diese selbst bestimmt. Risse, die beim Brennen entstehen, gehören nicht dazu, diesen ist sie praktisch ausgeliefert. Voller Spannung kann sie es denn auch oft nicht erwarten, bis der Brennvorgang abgeschlossen ist. Bar jeder Vernunft schaue sie dann in den Ofen. Ganz schnell, denn die Gefahr, dass durch den Luftzug zusätzlich noch Kühlrisse entstehen, sei groß, sagt sie. Bei den kleinen Sachen, die sie jetzt seit einem Jahr töpfert, sei das ja nicht so schlimm, wenn etwas kaputt ginge. Bei den Großkeramiken, die sie früher gemeinsam mit ihrem Mann für Kachelöfen gemacht hat, war das viel tragischer. Deshalb ist sie auf Gebrauchsgegenstände umgestiegen und hat Georg Lindenbauer die großen Dinge nach über zwanzig Jahren gemeinsamen Arbeitens allein überlassen.
Mit einem Holzbildhauer als Vater, in dessen Werkstatt im oberösterreichischen Weyr sie als Kind ihre Aufgaben geschrieben hat, schien der berufliche Werdegang von Petra Lindenbauer vorgezeichnet. Allein, mit Modellieren hatte sie zunächst gar nichts am Hut. Tierärztin wollte sie werden, bis sie eines Tages in Illmitz bei einem Keramiker hinein stolperte. Fasziniert von der Erdigkeit des Tons und der nahezu meditativen, lautlosen Bewegung der Drehscheibe ließ sich die damals 14-Jährige in der Keramik-Fachschule Stoob im Burgenland einschreiben. Und lernte dort vor allem wie man Gefäße nach Schema F in Akkordarbeit fertigt. Sehr bodenständig nennt sie das heute, aber viel zu eintönig und zu glatt, weshalb sie nach einem Jahr die Flucht nach Graz antrat und sich in der Ortweinschule in Keramischer Formgebung ausbilden ließ.
Hier konnte sie ihrer Kreativität erstmals freien Lauf lassen, hier lernte sie auch Georg kennen. Gemeinsam spezialisierte sich das Paar auf Heizobjekte aus Ton, Glas und Metall, für die sie auch die Schamotte eigens herstellten. Öfen, die nicht nur durch die Befeuerung sondern durch ihre sensible Gestaltung, die das Material ganz für sich wirken lässt, Wärme ausstrahlen.
Das Start-Atelier in Bad Radkersburg war bald zu klein, also zogen die Lindenbauers nach Klosterneuburg. Weil wir Petra nicht nur eine Neugierde in ihrem Tun sondern auch in ihrem Denken unterstellen dürfen, begann sie in Wien Archäologie und Kunstgeschichte zu studieren. Als Hobby, sagt sie, und weil ihr das Scherben zeichnen auf alten Ausgrabungsstätten großen Spaß gemacht habe. Vielleicht auch, weil die Töpferei als erste Methode der Menschheit zur Herstellung von Gefäßen und Plastiken gilt. Die ältesten Behältnisse stammen aus China und sind 18.000 Jahre alt, glasierte Keramiken wurden von den Ägyptern und in Mesopotamien seit dem 3. Jahrtausend v. Chr. hergestellt. Erst ab dem Mittelalter, sagt Petra Lindenbauer während sie bedächtig eine Vase auf der Drehscheibe hochzieht, galt die Töpferei als unehrlicher Beruf, stand der Keramiker auf der untersten sozialen Stufe.
Heute werden Keramiken wie am Fließband erzeugt, wodurch sie viel von ihrer Archaik verlieren.
Petra und Georg Lindenbauer aber möchten die Ursprünglichkeit des Gestaltens mit Ton am Leben erhalten. Jeder auf seinem Gebiet. In vollendeter Regelmäßigkeit formt Petra Lindenbauer mit ihren Fingerspitzen Rillen in die Vase, die dem Gefäß einen eigenen Charakter verpassen. Streng nach Töpfer-Lehre müsste sie diese jetzt mit einer Spachtel zu einer glatten Fläche ziehen. Das tut sie natürlich nicht. Auch der obere Abschluss kommt nicht in exakt gezirkelter Geometrie daher, er schwingt sich vielmehr in sanften Unebenheiten zu einer Art Kreis zusammen. Das entsteht einfach, wenn man mit Ton arbeitet, sagt Petra Lindenbauer, die Unregelmäßigkeiten aber nur akzeptiert, wenn sie in Harmonie zur Gesamtform stehen. Vieles hält ihrem strengen Blick nicht stand und wird wieder eingestampft, bevor es noch zu trocknen beginnt. Dann wird der Ton wieder zusammengeknetet und muss erst einmal eine zeitlang dunkel und kühl im Keller rasten, bevor er wieder auf die Werkbank darf.
Wenn man mit Ton arbeitet, sagt Petra Lindenbauer, ist man der Erde verbundener als bei anderen Künsten wie etwa der Malerei. In China zum Beispiel sumpfe der Großvater vorausschauend bereits für seine Enkel die Masse ein, schließlich müsse sie ja lange reifen, damit sie wirklich gut zu verarbeiten ist. Diese Tradition gibt es bei uns nicht mehr, deshalb muss sich Petra Lindenbauer hellen Ton im Westerwald und dunkleren in Spanien besorgen.
Richtig glücklich sei sie allerdings, dass sie der Zufall vor fünf Jahren ihre neue Heimat im Burgenland, das als Töpferei-Zentrum des Landes gilt, finden ließ. Im mittelalterlichen Ortskern von Stadtschlaining hat sie sich eine helle, ruhig Werkstatt eingerichtet, gewohnt wird in der Rotte Schönau, also in einer Gruppierung von Bauernhäusern ohne Dorfstruktur. Das sei dort eine stimmige Kombination aus unverfälschter und bearbeiteter Natur, sagt Petra Lindenbauer, und ganz einfach schön. Was man so ja auch irgendwie von den Arbeiten der Ton-Künstlerin behaupten kann.

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