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Schuhplatteln

Servus Magazin Mai 2011
VOM SCHUHPLATTELN UND DIRNDLDRAHN

Die Tradition des uralten Gebirgstanzes erlebt jetzt ihren ersten Höhepunkt. Wenn der Maibaum aufgestellt wird, zeigen die Burschen ihre geballte Kraft beim Platteln, während die Madln die Dirndlröcke in die Höhe wirbeln.

© Foto Marco Rossi

Fangen wir doch gleich einmal mit dem Wesentlichen an: „Wer von eing waas, wo links und rechts is‘?“ fragt der Auer Hans und „I!“, „I!“, „I!“ und „I a!“ schallt es vom Ainringer Tanzboden zurück. „Nau dann schaugts amal olle her. Rechtes Bein anhebn und mit da rechten Hand draufschlogn. Und d’Madln drahn sie nach links. Hobt‘s des checkt?“ Neun kleine Trachtenpärchen bringen sich in Stellung, während sich der Auer Hans die Knöpferlharmonika umhängt und mit dem sogenannten „Häusei“, einem uralten Schuhplattler loslegt.

 

Gut, das mit dem Links und Rechts hat dann bei manchen in der Aufregung noch nicht so wirklich geklappt, aber die Zwerge, die einmal zünftige Schuhplattler werden wollen, sind ja auch gerade im besten Volksschulalter. Sie müssen so früh beginnen, denn sind sie erst einmal verheiratet, ist es aus mit dem Schuhplatteln und dem Dirndldrahn. Der volkstümliche Tanz ist nämlich traditionellerweise ein Balztanz der Männer und wer einmal sein Dirndl eingefangen hat, kann sich öffentliches Imponiergehabe dann ersparen.

Mitte des vorigen Jahrhunderts sei das Schuhplatteln zu einem Revue-Tanz mit reinem Schau-Charakter für Touristen verkommen, erzählt Siegi Götze, Radio-Moderator von Volksmusiksendungen und Experte der bairischen Kultur. Damit sei dieses Stück alpenländischen Volksguts zwar über seine regionalen Grenzen hinaus bekannt geworden, hätte aber den eigentlichen Sinn verloren. Erst seit etwa zehn Jahren wird der Tanz wieder in seiner Ursprünglichkeit von den einzelnen Trachtenvereinen gepflegt. Und dabei haben weder ältere Plattler und schon gar nicht ein gegenseitiges Abwatschen der Mannsbilder etwas zu suchen.

 

„Völlig sinnentleert!“ sagt Siegi Götze, dem dabei die Abscheu förmlich ins Gesicht gezeichnet ist. Schließlich sei das ein Werbetanz, bei dem die Mädchen mit Eleganz, Musikalität und vor allem mit Kraft beeindruckt werden sollen. Letzteres geschieht ausschließlich durch rhythmisches Schlagen jeweils einer Hand auf eine bestimmte Stelle eines Beines oder Fußes. Weil der Mensch aber nur zwei Hände und zwei Beine hat, sind die Variationsmöglichkeiten auf sechs Knie- und Schenkelschläge sowie zwölf Plattelschläge (siehe Kasten) beschränkt. Und die gilt es möglichst geschmeidig rüber zu bringen.

Wie, das ist von Region zu Region in den Plattlerländern Tirol, Bayern und Salzburg unterschiedlich. Die Salzburger Pongauer etwa platteln langsamer aber kräftiger, dafür seien die Chiemgauer schneidiger und eher zackig in der Bewegung, erklärt Hans Auer, Volksmusikant aus Hammerau im bayrisch-salzburgerischen Grenzgebiet. Wenn er zu seiner „Ziagn“ greift, kann weder jung noch alt still sitzen bleiben. Einmal pro Woche unterrichtet er die Kindergruppen der Trachtenvereine Hammerau-Ainring, Feldkirchen und Thundorf und hat dafür extra Gruppen-Volkstänze zu Plattlern für die Kleinen umgebaut, damit sie sich leichter tun.

90 Prozent aller Schuhplattler basieren auf einem ¾-Takt, der Rest ist auf 2/4teln aufgebaut. Begleitet wird der Tanz auf jeden Fall von mindestens einem Akkordeon, bei festlichen Auftritten ist auch eine kleine Blasmusikgruppe dabei. Die eigentliche musikalische Attraktion ist aber der Schall der Schläge, wenn sie von mehreren Burschen gleichzeitig im Takt ausgeführt werden.

Eine Tradition, die allerdings in der Form erst knappe 160 Jahre alt ist. Zwar wird in früheren Aufzeichnungen bereits erwähnt, dass Gebirgler, Jäger und Holzknechte zu Landler-Melodien platteln, aber immer nur einzeln. Die älteste Schilderung eines schuhplattlerähnlichen Tanzes stammt aus dem Jahr 1050. Im „Ruadlieb“, einer in lateinischen Hexametern verfassten Ritterdichtung, schildert ein Mönch des Klosters Tegernsee vom Treiben in den umliegenden Dörfern, die auf eine Frühform des Schuhplattlers hinweisen.

 

Erst 1817 taucht unter dem Namen der „Neubairische“ wieder ein Tanz auf, bei dem sich die Burschen auf Schenkel und Schuhsohlen schlagen. Was ihm 1846 im Berchtesgadner-Land den Beinamen „Pempererstoisser“ (= Schallerzeuger) eintrug und als Hinweis gewertet wird, dass erstmalig nicht nur einzeln sondern gemeinschaftlich in der Gruppe geplattelt wurde. Ebenfalls aus dieser Zeit stammt die Melodie des ältesten heute noch existierenden Schuhplattler-Tanzes vom „Dirndl mit dem roten Mieder“. 1858 trat dann die Miesbacher Jugend mit einem Schuhplattler vor König Max II auf, ein Jahr später schildert Fanny Lewald in der Augsburger Allgemeinen Zeitung die Grazilität und Lieblichkeit des gestampften Gebirgsländlers, bei dem „sich das Mädel mit niedergeschlagenem Blick wie eine surrende Spindel um sich selbst dreht.“

Ob Einzel- oder Gruppentanz – Schuhplatteln war nie ein reiner Männertanz. Immer waren Mädchen beteiligt, schließlich sollten die ja auch beeindruckt werden. Vorausgesetzt sie waren schwindelfrei, da sie sich im ziemlichen Tempo um sich selbst drehen mussten, während die Burschen plattelten.

Das ist auch heute noch so und macht den angehenden Dirndldraherinnen in Ainring sichtlich Spass. Während sie allerdings zum Üben in den Probenraum des „Alten Schulhaus“ gehen müssen, weil daheim sonst die Einrichtung in Gefahr wäre, können die Buben ihre Plattlerschläge auch zu Hause vor dem Spiegel trainieren sooft sie wollen.

Und da kommt jetzt die Kraft und irgendwie auch die Jugendlichkeit ins Spiel. „Waunst des viermal hintereinander mochst“, sagt der Auer Hans, der schon lange nicht mehr aktiv plattelt, „daun geht des in die Wadln und du derschnaufst es nimmer.“ Überhaupt, sagt auch Siegi Götze, sei der Tanz in den letzten Jahren immer athletischer geworden und deshalb seien die besten Tänzer auch gute Sportler. Während man früher nur auf den Fersen aufgetreten ist und sich auf dem Absatz gedreht hat, absolviert man die meisten Schritte heute federnd auf dem Fußballen. Das sieht zwar graziler aus, braucht aber umso mehr Kraft. Eine zeitlang hat man für einen besseren Klang der Schläge glatte Lederhosen ohne Applikationen getragen. Ganz im Sinne der Rückbesinnung auf Traditionen werden aber heute wieder normale Krachlederne getragen.

Auch beim Preisplatteln, dem tänzerischen Wettkampf, bei dem die Trachtenvereine der einzelnen Ortschaften zeigen, was sie können. Königsdisziplin: das Gruppenplatteln, bei dem 4 Paare Synchronität beweisen müssen. Und zwar in vier Kreisen mit einem Durchmesser von 90 Zentimetern, deren Mittelpunkte nur zwei Meter von einander entfernt sind.

 

In aufrechter Haltung, mit vom Ellenbogen senkrecht hinauf gewinkelten Armen schreiten die Paare auf die Tanzfläche, legen ein paar Walzerdrehungen hin, bevor die Burschen in den Kreis steigen. Dort versuchen sie in Schlag und Haltung größtmögliche Gleichmäßigkeit zu erzielen und müssen sich dabei auch noch drehen. Die Mädchen wirbeln derweilen mit fast waagrecht fliegenden Röcken um ihre eigene Achse, bevor sie von ihren Burschen wieder eingefangen werden und das Ganze ein zweites Mal wiederholt wird. 10 Punkte gilt es zu erzielen, wobei neben Tanz, sauberen Schlägen und Haltung auch das äußere Erscheinungsbild gewertet wird. Punkte-Abzüge gibt es unter anderem für Piercings, zu viel Schmuck oder rutschende Socken. Als Preise werden Abzeichen verteilt, die wie Trophäen auf den Trachtenhut gesteckt werden. Der ist übrigens Pflicht beim Schuhplatteln, egal ob im Wettkampf oder bei geselligen Veranstaltungen.

Die kleinen Trachtenpärchen auf dem Tanzboden vor dem Ainringer Maibaum haben sich zwar noch keine Abzeichen aber als Belohnung jetzt einmal ein paar Gummibärli verdient. „Guat habt’s es gmocht“, sagt der Auer Hans, während er seine Ziagn wegpackt, „d’Winterpause war jo heier bsonders lang.“ Das Schuhplatteln und Dirndldrahn richtet sich nämlich streng nach dem Kirchenjahr. Und da darf während der Advent- und der Fastenzeit nicht getanzt werden. Die Saison beginnt am Ostermontag und erreicht beim Aufstellen des Maibaums ihren ersten Höhepunkt. Ab dann wird ganzen Sommer über geplattelt und gedraht bis einem die Kraft ausgeht. Oder bis Mann halt sein Dirndl auf ewig eingefangen hat.

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