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Johannes Schwinger

Servus Magazin -  Oktober 2018
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WO DAS LEBEN HINFÜHRT
Über Johannes Schwaninger den das Schicksal zum Wirt in Zell am See und nicht zum Uni-Professor machte. Und der dabei seine Berufung fand.

© Foto: Christof Wagner

Es gibt Wörter denen eine Schwere anlastet. Schicksal zum Beispiel. Da hängen entweder gleich Schläge dran oder es schlägt zu. Schicksal impliziert, dass man unvorbereitet in Situationen gerät, die Entscheidungen erzwingen, die einen in eine komplett andere Richtung führen. Das ist mühsam, vor allem wenn man das Leben als Einbahnstraße von A nach B betrachtet.

 

So einer war Johannes Schwaninger aus Zell am See nie. Er gehört zu den neugierigen, den offenen, die es spannend finden eigene Wege zu suchen. Ich wollte schon als Kind raus in die weite Welt, sagt er und dabei bilden seine Augenbrauen einen spitzen Pfeil der in der Mitte seiner Stirne steil nach oben zeigt. 

Wie dicke schwarze Pinselstriche zieren die Brauen sein Gesicht und zeichnen die jeweilige Stimmungslage mit. So weiß man immer woran man ist, als Lügner hätte er es schwer.

 

Jetzt also zeigen sie nach oben und untermalen die Enge der Kleinstadt, ein Philosophiestudium in Rom und den weiten Sprung nach New York. Dort studierte er Psychologie und zimmerte mit seiner Frau Gunda, einer Molekularbiologin, an einer Karriere an der Uni. Dann, sagt Johannes und die linke Augenbraue kippt in der Mitte nach unten, während die rechte sich waagrecht hebt. Dann also, sagt er, zwang mich das Schicksal zu einer Entscheidung.

 

2004 gerade als er seine Masterarbeit angehen wollte, stürzten sein Vater, sein Bruder, der die Hotel- und Gastwirtschaften in Zell am See übernehmen sollte, und seine jüngere Schwester mit dem Flugzeug ab. In die tiefe Trauer, die nach der Schockstarre folgte, sickerte langsam ein Gedanke: Was wird aus dem Steinerwirt? Und jetzt fallen beide Brauen bei der Nasenwurzel in die Tiefe.

 

Der Ururgroßvater von Johannes Schwaninger hatte das alte Wirtshaus, dessen Kellergewölbe bis aufs 14. Jahrhundert zurückgehen, einst gekauft. Es war so etwas wie das Herzstück im Familienbesitz. Selbst wenn man weit weg lebt und niemals Wirt werden wollte, spürt man doch so etwas wie Verantwortung. Wir wußten, wenn wir es nicht übernehmen, geht es verloren, sagt Johannes und jetzt bildet die rechte Augenbraue doch tatsächlich eine Welle.

 

Die Schwaningers kehrten also heim und brachten das Flair der weiten Welt ins Bergdorf mit. Sie modernisierten die Zimmer und setzten auf Kunst und Design. Richtiges Design, sogar beim Frühstück sitzt man auf Klassikern von Roland Rainer aus der alten Olympiahalle in Innsbruck. Und das Wirtshaus wollte ich wieder so wie früher zu einem Kultur- und Sozialisationsplatz machen, sagt Johannes und dabei signalisieren seine Brauen Provokation. Er konfrontierte seine Gäste mit Spontan-Inszenierungen von Thomas Bernhard, lud Literaten wie Thomas Glavinic, Robert Menasse oder Arno Geiger zu Lesungen ein und machte den Steinerwirt zum Ort spannender Begegnungen.

 

Als wir uns 2015 trafen schwebten seine Brauen die meiste Zeit entspannt über den Augen. Niemals klang Bitterkeit durch, dass ihn das Leben zum Wirt in Zell am See und nicht zum Professor in den USA gemacht hat. Es freute ihn einfach, dass er die Herausforderung gemeistert und dabei aufregend Neues entdeckt hatte. Nur manchmal sagte eine Braue, dass das nicht alles gewesen sein kann. Heute ist der Steinerwirt verpachtet und Gunda Schwaninger arbeitet an einer Diss. Johannes aber möchte weiter mit Kunst und Kultur auf dem Land etwas bewegen. Vielleicht weil das der schönste Weg ist, die Vielschichtigkeit des Lebens zu zeigen. Sein jährliches Film Fest Zell etwa, so sagt man, ist ein voller Erfolg. 

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