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PORTRÄTS
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WENN SICH DIE ZWEI RICHTIGEN FINDEN ...
..schlägt man gemeinsam einen neuen Weg ein. Darum hat Künstler Thomas Rauch im oststeirischen Merkendorf jetzt ein kleineres Atelier, dafür aber ein Restaurant. Dort kocht Christina Luger die ganze Region ein.
Fotos: Christof Wagner
Eigentlich hat der Thomas mich eingebraten, mit steirischen Apfelkrapfen.“ Christine Luger zupft ein paar Liebstöcklblätter vom Stängel und lächelt. Es ist ein warmes Lächeln, so eines, in dem man die Liebe spürt. Zu Thomas. Zum Leben. Zu den Menschen. Zum Kochen. Zur ganzen Welt, die sich auf wundersame Weise hier auf dieser Anhöhe südlich von Bad Gleichenberg mit dem Steirischen vermählt. Kulinarisch vor allem, was natürlich viel mit der Geschichte von Christina Luger, 41, und Thomas Rauch, 37, zu tun hat.
Ich wollte schon als Kind Köchin werden, sagt die gebürtige Perchtoldsdorferin. Aber wie das halt einmal so ist, hatten sich ihre Eltern unter einem gescheiten Beruf etwas anderes vorgestellt. Volksschullehrerin, sagt Christina und dass sie sich diesen Handschuh zwar anzog, aber sich nicht wohl dabei fühlte. Also verließ sie das Klassenzimmer recht bald wieder und wurde Flugbegleiterin.
Zunächst bei Tyrolean, dann bei der Lufthansa lernte sie einerseits wie man sich in kleinen Bordküchen organisiert. Andererseits ließ sich das flotte Leben zwischen Himmel und Erde mit Stopps in den interessantesten Metropolen dieser Welt großartig mit ihrer Koch-Leidenschaft verbinden. Wo auch immer ich landete, ich suchte mir sofort einen Kurs bei einem lokalen Koch, sagt Christina, die jetzt den Liebstöckl mit dem Schafskäse vermischt, den sie später in die Teigtascherln für die Rote-Rüben-Suppe mischen wird.
Christina tauchte in bunte, exotische Märkte ein, die so gut riechen, dass sie auf der Stelle die Geschmacksnerven stimulieren. Sie brachte Gewürze aus Tausendundeinernacht mit nach Hause und jede Menge kulinarische Inspirationen. Vorwiegend aus dem asiatischen Raum, was man ihrer Küche heute anmerkt. Klar hab ich auch viel gegessen und alles ausprobiert, sagt sie und da ist es wieder dieses freudvolle Lächeln, bei dem man sich sofort hinsetzen und Messer und Gabel zücken möchte, um genussvoll in eine von Christinas Kreationen zu beißen.
Christina und Thomas trafen dann in Wien aufeinander. Und das nicht einmal beim Essen in einem Wirtshaus sondern beim Punschtrinken auf einem Weihnachtsmarkt. Das war 2008 und damals kochte Christina nur für Freunde auf und in Thomas Welt hatte Wirt-sein und Gastronomie ungefähr den gleichen Stellenwert wie ein Mondflug. Die Leidenschaft des Oststeirers gehörte schon als Kind allem was mit Holz zu tun hat. Holzbildhauer wollte ich werden, sagt Thomas mit so einer Ruhe in der Stimme, die einen vermuten läßt, nichts und niemand könnte diesen Mann umhauen. Der Vater unterstützte den Wunsch seines Sohnes und so ging Thomas mit 15 nach Elbigenalp im Lechtal zur Ausbildung und verfeinerte seine Technik später im Grödnertal, so etwas wie dem Mekka der Holzschnitzkunst.
Freischaffende Künstler wissen was dann folgte: ein ewiges Hin und Her zwischen dem Wunsch nach finanzieller Sicherheit zum Beispiel als Kunstlehrer und der Freiheit sich als Künstler zu verwirklichen. Auch Thomas ging durch das tiefe Tal, entschied sich für die Freiheit, kehrte heim und zog in ein Häuschen, das früher einmal als Buschenschank der Familie gedacht war.
Das da war einmal ein Weingarten mit Riesling, Weißburgunder und Zweigelt, sagt Thomas und zeigt den Hügel runter. Nach dem Weinskandal war das alles in den 1990ern plötzlich nichts mehr wert. Das hat den Vater so narrisch gemacht, sagt Thomas, dass er kurzerhand die Weinstöcke raus riss und Kürbis anbaute. Wegen dem steilen Gelände musste der aber händisch geerntet werden, was Kinder und Verwandtschaft nur murrend erledigten, bis man auch das wieder sein ließ. Weil der Hang für Wein gar so ideal ist haben Christina und Thomas vor kurzem hier Sauvignon Gris ausgepflanzt, ein Kräutergartel gibt es schon länger.
Ich kam also zurück, sagt Thomas, und wollte mir gerade ein großes Atelier bauen, weil ich ja mit großen Stämmen arbeite. Obendrauf war eine kleine Kaffeebar geplant, um die Gäste und Freunde seiner Kunst nicht gar so im Trockenen stehen zu lassen. Doch dann kam ich, sagt Christina, die jetzt beherzt mit dem Pürierstab die Roten Rüben bearbeitet. Die Suppe ist eine Anlehnung an russischen Borschtsch, die Teigtascherln dazu sind die steirische Variante von Wantan.
Ob es wirklich Thomas war, der einst die Apfelkrapfen zur Betörung fabrizierte, bleibt sein Geheimnis. Christina zog jedenfalls nach Merkendorf und ließ sich von seiner Mutter und der Tante, beide hervorragende Köchinnen, in die steirische Küche einweihen. Gleichzeitig begann sie sich in der Gegend nach guten Bio-Produkten umzusehen. Sie fand einen Schafbauern, der auch drei Turpoljeschweine hat, von denen sie noch heute einmal im Jahr eines bekommt. Dazu Weiderinder aus dem Vulkanland und Saiblinge, Schleien oder Huchen aus der Südsteiermark, die sie zu Ceviche oder steirischem Sushi verarbeitet. Mit steirischem Reis übrigens, der in der Oststeiermark klimamäßig prächtigst wächst. Und es gibt jede Menge junge, wilde Gemüsebauern in der Gegend, die schauen auf Sortenvielfalt, sagt Christina, während sie eine Zitronengurke klein schneidet.
So baute sie sich langsam ein Netzwerk auf, verknüpfte ihre Kenntnisse der internationalen Küche mit dem Bodenständigen der Region und erfand einen ganz eigenen Stil. Der nicht nur gut schmeckt, der auch recht farbenfroh am Teller leuchtet. Von den Asiaten habe ich gelernt, sagt Christina, dass in jedem Essen alle Farben vertreten sein sollen und je kräftiger sie strahlen umso gesünder für den Körper. Deswegen gibt es bei ihr auch ein violettes Erdäpfelpüree aus der Viellotte zum rostbraunen Rindfleisch.
Naja, was soll man sagen. Es hat wohl damals, als Christina in Thomas Leben trat, nicht lange gedauert, bis die beiden eine kleine Küche in den Plan für die Kaffeebar integrierten. Weil dann könnte man die Gäste doch gleich ordentlich bewirten. Aber hallo, die müssen ja auch wo sitzen. Ah, die Therme Loipersdorf entsorgt grad ihre Sessel, die schauen doch super aus, wenn man sie neu beziehen lässt. Aber dann könnte man doch gleich auch noch den Raum größer konzipieren und Panoramafenster einbauen, weil der Blick über die Hügel bis nach Straden ist doch gar so schön. Und wie wärs mit einer Terrasse? Und ein paar Plätzen an der Bar? Die Einheimischen lehnen ja lieber herum… So oder so ähnlich wird es vielleicht gewesen sein bis über dem kleinen Atelier plötzlich ein richtiges Restaurant thronte, das die beiden am 1. Mai 2010 eröffneten.
Natürlich lief das nicht gleich rund, sagt Christina, während Thomas den Kürbiskern-Topfenkuchen aus dem Kühlschrank holt. Mit einem Biskuitboden, sagt er, aber mit Mehl aus dem Presskuchen, der beim Kürbiskernöl übrig bleibt. In der Anfangsphase halfen noch Flugbegleiter-Kollegen von Christina beim Service mit, dann sagte sich Thomas: wenn schon, denn schon und ließ sich ganz auf das Restaurant ein, das ja jetzt auch zu seinem Leben gehörte.
Heute schupft er nicht nur den Service im Alleingang, er kümmert sich auch um die Weinkarte. Nur steirische und slowenische Weine finden sich da drauf, weil es den beiden so wie bei den Kochzutaten wichtig ist, die Bauern und Winzer persönlich zu kennen. Auch die Rezepte entwickeln Christina und Thomas mittlerweile gemeinsam, ein paar von den Desserts gehen ganz, auch in der Zubereitung, auf Thomas Kappe. Speisekarte gibt es natürlich keine. Bei den wenigen Plätzen und in der kleinen Küche kann man sich spontan am täglichen Einkauf orientieren. Was an den drei Tagen Samstag, Sonntag und Montag serviert wird, ist gleich beim Eingang auf einer Kreidetafel notiert.
Das Atelier im Erdgeschoss ist trotzdem nicht verwaist, dort widmet sich Thomas an den Ruhetagen Dienstag bis Freitag seiner Bildhauerei. Schweigend, sagt er und grinst dabei von einem Ohr bis zum anderen, denn das Mit-den-Leute-reden, also das kellnern und Wirt-sein, ist ihm anfangs gar nicht so leicht gefallen. Mittlerweile ist er aufgetaut, auch weil so viele Leute aus der Gegend die „Lounge 81“ stürmen, die elegant und zierlich, wie ein Wolkenkuckucksheim auf einem grünen Hügel schwebt. Hier setzt man sich gerne zusammen, mit lieben Leuten bei lieben Leuten. Das haben die beiden 70-jährigen Nachbarn übrigens sofort erkannt. Gleich am ersten Tag haben sie sich ihren Platz an der Bar erobert. Mittlerweile gehören sie fast schon zum Inventar an diesem oststeirische Platz an dem die Liebe eindeutig durch den Magen geht.